Stadtentwässerung: Neuer Abwasserkanal sorgt für Entlastung bei Starkregen

Bauarbeiten beginnen im September 2021

"Im September wird ein sehr großes Bauprojekt in Viernheim beginnen", so die Ankündigung von Bürgermeister Matthias Baaß bei einem gemeinsamen Pressetermin mit der Stadtwerke Viernheim GmbH am vergangenen Freitag (23. Juli). Grund ist der Start der Tiefbauarbeiten für den neuen Entlastungssammler, dessen Planung im August 2017 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde. "Die Bauarbeiten beginnen am Kreuzungsbereich Bürgerhaus und werden in einem zweiten Bauabschnitt beginnend in Höhe Stadtwerke (Industriestraße) quer durch das ganze Stadtgebiet verlaufen." Ende 2024 sollen die Bauarbeiten der 2,6 Kilometer langen Trasse abgeschlossen sein.

Die Stadt Viernheim reagiere nach langjähriger Vor- und Detailplanung auf die schwerwiegenden Starkregenereignisse in den Jahren 2007 bis 2010. Baaß: "Bei vielen Bürgerinnen und Bürgern dürften Bilder wie aus den letzten Wochen von Nordrhein Westfalen und Rheinland Pfalz Erinnerungen an das damalige Erlebte hervorgerufen haben, als in Viernheim zahlreiche Keller und einigen Straßen, vor allem im Stadtkern, unter Wasser standen." Die Folgeschäden seien zwar nicht miteinander zu vergleichen, so Baaß, "trotzdem war das für Viele ein ganz besonderes Ereignis, da es das vorher so noch nie gab und Viernheim eine der ersten betroffenen Städte war."

Schon nach dem ersten Starkregenereignis 2007 hat sich die Stadt Viernheim bezüglich der Abwasserentsorgung Gedanken gemacht und bereits in den Jahren 2009 bis 2012 und 2015 wurde mit einem verbesserten Anschluss des Bereichs Beethovenstraße an den großen Stauraumkanal Heidelberger Straße (Südspange) und einer weiteren veränderten Anbindung von Kanaltrassen (Nordwestsammler) gehandelt. Doch um das städtische Kanalnetz nachhaltig und zukunftsweisend auszubauen, wurde auch der Bau eines neuen Hauptsammlers thematisiert.

"Das Stadtgebiet ist flach und somit fehlt dem Kanalnetz die nötige Strömung, um größere Wassermengen zügig ableiten zu können", erklärt der Rathauschef. Hinzu käme, dass es im kanalisierten Stadtgebiet keinen Vorfluter gebe, das heißt, ein Gewässer wie zum Beispiel einen Bach oder Fluss, in dem bei Regenereignissen Mischwasser entlastet werden könnte. Auch nach kostengünstigeren Alternativen wurde gesucht, wie etwa die oberflächennahe Ableitung von Regenwasser. Im eng bebauten Stadtgebiet von Viernheim seien hierfür aber nicht die ausreichenden Flächen vorhanden, um hohe Regenmengen innerhalb kürzester Zeit aufzufangen, erklärt Baaß. "Besser ist die Situation in Neubaugebieten, wie zum Beispiel im Bannholzgraben, wo strukturell keine Ableitung des Regenwassers in den Kanal geplant wurde und es eine getrennte Regenwasserversickerung gibt."

Auch Dr. Ralph Franke, Geschäftsführer der Stadtwerke GmbH beschäftigte sich intensiv mit der Gesamtsituation und sprach sich bereits 2015 für eine Errichtung eines neuen Hauptsammlers, beginnend am Pumpwerk Saarlandstraße bis zum Tiefpumpwerk, aus: "Für eine Investitionsentscheidung spricht eine nachhaltigere Entwässerung des Stadtgebietes auch bei heftigeren Starkregenereignissen, die aufgrund von Klimaverschiebungen nicht ausgeschlossen werden können", so der damalige, in weiser Voraussicht, schriftliche Wortlaut eines Vermerks von Dr. Franke an die Stadtverwaltung.

Rund 18 Millionen Euro sind für das Bauprojekt veranschlagt, die zunächst komplett aus dem städtischen Haushalt heraus finanziert werden müssen. Erst nach und nach wird es eine Gegenfinanzierung geben, wenn einzelne Kanalabschnitte in Betrieb gehen und dann die Investition über einen Zeitraum von 50 Jahren in die Gebührenkalkulation von Abwasser- und Niederschlagswassergebühr einfließt. Zu Gute kommen der Finanzierung die derzeit günstigen Kapitalmarktzinsen.

Der Auftrag der Arbeiten wurde mit Beschluss des Magistrats im September 2020 an die Firma Uhrig Straßen- und Tiefbau GmbH vergeben. Ein Mitbieter legte jedoch bei der Vergabekammer Hessen Widerspruch gegen die Vergabe ein. Das Nachprüfverfahren wurde umgehend eröffnet, verzögerte sich allerdings aufgrund der Corona-Pandemie, so dass die vorgesehene Vergabe jetzt erst erfolgen konnte.

Tiefbauarbeiten im Detail - Erforderliche Vorarbeiten beginnen in Kürze

Lukas Schneider von der Stadtentwässerung sowie Daniel Lohbeck, Abteilungsleiter Technischer Netzservice der Stadtwerke Viernheim GmbH stellen die Tiefbauarbeiten im Detail vor: Die Arbeiten werden Ende September/Anfang Oktober dieses Jahres im Kreuzungsbereich "Saarlandstraße - Karl-Marx-Straße - Kreuzstraße - Am Königsacker" beginnen. Der Teilbereich dieses Bauabschnitts wird wegen der geplanten Umgestaltung der Saarlandstraße vorgezogen und soll noch dieses Jahr beendet werden. Danach wird die Kanaltrasse entgegen der Strömungsrichtung beginnend in der Industriestraße auf Höhe des städtischen Bauhofes erstellt.

Die Baustelle "wandert" in einem zirka 30 Meter langen Baufeld die Trasse entlang und zwar von der Industriestraße bis Friedrich-Ebert-Straße, Friedrich-Ebert-Straße von Industriestraße bis Lorscher Straße, Wormser Straße von Lorscher Straße bis Illertstraße, Illertstraße, Siegfriedstraße, Kreuzstraße von Siegfriedstraße bis Karl-Marx-Straße, Einbindung Vorflut Pumpwerk Saarlandstraße, Karl-Marx-Straße. Die Einschränkungen für Anwohner werden durch das kurze Baufeld minimal gehalten. Soweit wie möglich bleibt die Zufahrt der Grundstücke für Anlieger erhalten. Die Sammlung und Verbringung der Mülltonnen zu einem Sammelanfahrtspunkt für die Müllabfuhr werden bei möglichen Einschränkungen von der Baufirma mit veranlasst. 

In den Baubereichen kommt es infolge von verkehrstechnischen Anordnungen zu Einschränkungen des Straßenverkehrs. Hierbei ist in Teilbereichen auch der ÖPNV betroffen. Umleitungen und Ersatzhaltestellen werden entsprechen rechtzeitig angezeigt. Betroffene Anwohner werden hierzu direkt informiert.

Noch vor dem Beginn dieser Verlegung der Abwasserleitung, deren Durchmesser von bis zu 2,2 Metern einen entsprechend breiten und tiefen Graben erfordert, müssen Strom-, Gas- und Wasserleitungen aus diesem Bereich herausgelegt werden. Die Stadtwerke Viernheim werden daher bereits ab Mitte August in den betroffenen Straßen soweit erforderlich Umlegungen durchführen. Die Baumaßnahmen werden jeweils zu Einschränkungen im Verkehrsraum führen. Stadt und Stadtwerke bitten bereits jetzt um Verständnis.


Bildtexte:
Bild 1 (Foto von Pressekonferenz): Zeigen den Verlauf des neuen Abwasserkanals auf (v. l.) Geschäftsführer Dr. Ralph Franke, Bürgermeister Matthias Baaß, Lukas Schneider und Daniel Lohbeck.

Bild 2 (Skizze): Die Tiefbauarbeiten werden im Kreuzungsbereich "Saarlandstraße - Karl-Marx-Straße - Kreuzstraße - Am Königsacker" beginnen. Der Teilbereich dieses Bauabschnitts wird wegen der geplanten Umgestaltung der Saarlandstraße vorgezogen und soll noch dieses Jahr beendet werden. Danach wird die Kanaltrasse entgegen der Strömungsrichtung beginnend in der Industriestraße auf Höhe des städtischen Bauhofes erstellt.

Bild 3 (Hochwasser im Jahr 2007): Besonders in den Jahren 2007 bis 2010 ereigneten sich in Viernheim extreme Starkregenereignisse, die zu zahlreichen überfluteten Straßen im Stadtgebiet führten, wie hier in der Kettelerstraße nach dem Starkregen am 12.6.2007.