Viernheim gemeinsam bilden: 200 Jahre Hessische Verfassungsgeschichte - Ausstellung in der KulturScheune ab sofort geöffnet

Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt das Großherzogtum Hessen erstmals ein Parlament und seine gewählten Abgeordneten traten in Darmstadt zusammen. Am 21. Dezember 1820 wurde die Verfassungsurkunde des Großherzogtums Hessen verkündet. Eine für Viernheim bedeutsame mitwirkende Person an dieser ersten Verfassung ist der ehemalige Viernheimer Bürgermeister Edmund Bläß (1816-1822), der Mitglied der zweiten Kammer des Landtages des Großherzogtums Hessen war. Am 21. Dezember 2020 jährte sich dieses Ereignis zum 200. Mal. Anlass, um in einer besonderen Ausstellung diesem Jubiläum zu gedenken.

Das Amt für Kultur, Bildung und Soziales mit Rúnar Emilsson, Fachbereichsleiter für Musik, Kunst und Kultur, thematisierte diese Entstehungsgeschichte und hat gemeinsam mit dem Viernheimer Geschichtsforscher Herbert Kempf aus dessen privater Sammlung eine sehr spannende und informative Ausstellung geschaffen, deren Eröffnung aufgrund der Corona-Pandemie mehrfach verschoben werden musste. Doch aufgrund der positiven Pandemie-Entwicklungen kann die Ausstellung in der KulturScheune (Satonévri-Platz) nun endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und soll bis Ende September zur Verfügung stehen.

Bürgermeister Matthias Baaß, Amtsleiter Horst Stephan sowie Verwaltungsleiterin Doris Hannemann freuen sich, dass die geschichtlich wertvolle Ausstellung nun endlich auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern oder Schulklassen zur Verfügung steht. Ein besonderer Dank ging an dieser Stelle an Herbert Kempf, der seine privaten „Sammlerstücke“ eigens für diesen Zweck zur Verfügung stellt und „die Geschichte dadurch so greifbar macht“, so Baaß.

„Mit der Ausstellung wollen wir auf die traditionellen demokratischen Werte aufmerksam machen und diese gleichzeitig verteidigen“, so der Viernheimer Historiker gemeinsam mit Rúnar Emilsson. Zur Ausstellung wurde auch ein Katalog herausgebracht, in dem der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sowie der ehemalige Landtagsabgeordnete Norbert Schmitt in ihrem Grußwort das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Hessen als Grundlage für das Gemeinwesen und das staatliche Handeln hervorheben. Daher sollten 200 Jahre Hessische Verfassungsgeschichte Mahnung und Ansporn zugleich sein, für die Werte der deutschen Demokratie, für Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, für Solidarität und soziale Gerechtigkeit einzutreten.

Öffnungszeiten
Der Besuch der Ausstellung in der KulturScheune erfolgt über den Eingang der Stadtbibliothek und ist zu den Öffnungszeiten dienstags von 10 bis 17 Uhr, mittwochs von 14 bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 19 Uhr, freitags von 14 bis 17 Uhr sowie samstags von 10 bis 12 Uhr möglich. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich, jedoch ist die Besucherzahl aufgrund der Räumlichkeiten auf 33 Personen gleichzeitig begrenzt. Auf die derzeit gültigen Abstands- und Hygieneregeln wird verwiesen. Der kostenlose Ausstellungskatalog liegt in der KulturScheune aus oder kann über das Amt für Kultur, Bildung und Soziales (Bürgerhaus, Kreuzstr. 2-4) bezogen werden. Für Rückfragen und Informationen steht Rúnar Emilsson telefonisch unter der Nummer 06204 988-409 oder per E-Mail unter Runar.Emilsson(at)viernheim.de zur Verfügung.

Ausstellung 200 Jahre Hessische Verfassungsgeschichte
Die Ausstellung zeigt anhand vieler Originale und Faksimiles das Ende des Heiligen Römischen Reiches, die napoleonischen Auseinandersetzungen und die neue staatliche Ordnung des Deutschen Bundes auf. In Artikel 13 der Bundesakte werden die Bundesstaaten aufgefordert, eine „landesständische“ Verfassung zu schaffen. Dieser Prozess der Verfassungsgebung dauerte in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich lang.

Das heutige Hessen bestand in dieser Zeit aus 5 Bundesstaaten: Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Kurfürstentum Hessen, Herzogtum Nassau, Fürstentum Waldeck, Freie Stadt Frankfurt. Die Ausstellung schildert den Verfassungsprozess, zeigt die Verfassungsurkunden und vermittelt anhand von Landkarten die Größenordnung dieser hessischen Bundesstaaten.

In besonderer Weise wird auf die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848/49 eingegangen. Eine besondere Rolle spielte hierbei Wilhelm Heinrich August von Gagern, Mitglied des hessischen Landtages und erster Präsident der Frankfurter Nationalversammlung. Bemerkenswert ist der Grundrechtskatalog vom 27. Dezember 1848 und die Reichsverfassung vom 27./28. März 1849. Da der preußische König die angebotene Kaiserwürde ablehnte, scheiterte dieses Verfassungswerk.

Eine weitere Etappe in der Verfassungsgeschichte war der deutsch-französische Krieg mit der Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 in Versailles und der Reichsverfassung vom 16. April 1871.

Dem folgte ein tiefer Einschnitt in die bisherige monarchische Staatsform in Deutschland. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war das Kaiserreich am Ende, der Kaiser dankte ab. Der Versailler Friedensvertrag brachte erhebliche wirtschaftliche Probleme und lähmte den Wiederaufbau Deutschlands durch eine Hyperinflation. Die Ausstellung zeigt den Versailler Friedensvertrag und Notgeldscheine in Hessen, insbesondere im Kreis Bergstraße. Der staatliche Neuaufbau war schwierig. In Darmstadt wurde am 11. November 1918 der Großherzog von Hessen-Darmstadt abgesetzt. Am 11. August 1919 wurde die Verfassung des Deutschen Reiches verabschiedet, die sogenannte „Weimarer Verfassung“. Diese enthielt erstmals das Frauenwahlrecht.

Am 12. Dezember 1919 wurde die hessische Verfassung für den Volksstaat Hessen verabschiedet. Das Staatgebiet bestand aus dem bisherigen Großherzogtum. Aufgrund der französischen Rheinland-Besetzung wird jedoch fast ein Drittel des Staatsgebietes des Volksstaates Hessen dem direkten Zugriff der Landesregierung entzogen. Die Besatzungszone der Franzosen erstreckte sich über das linksrheinische Rheinhessen bis in die Randbezirke der Landeshauptstadt Darmstadt. Anhand einer Landkarte des Volksstaates Hessen kann man diese Situation schön nachvollziehen.

Der zweite Weltkrieg brachte eine weitere Veränderung in der Verfassungsentwicklung. Es werden die Ereignisse zum Kriegsende (Flugblatt der Amerikaner) und die Kapitulationsurkunde Deutschlands gezeigt. Es folgt der Prozess der Staatsgründung Hessens im Einvernehmen mit den Amerikanern, der Verfassungsentwurf des Landes Hessens und schließlich das Plakat für die Volksentscheid mit dem Verfassungstext über die Verfassung des Landes Hessen am 1. Dezember 1946. Abgerundet wird diese Darstellung mit der Hessischen Verfassung vom 1.12.1946 und einer Kreiskarte von Großhessen von 1946. Das Staatsgebiet hat sich wesentlich vergrößert und umfasst die bisherigen fünf Bundesstaaten des Deutschen Bundes, also das heutige Hessen.

Abgeschlossen wird diese staatliche Neuordnung mit der Währungsreform 1948 mit Originalgeldscheinen „Deutsche Mark“ und der Zeitung „Die Neue Zeitung“, in der die Amerikaner die Maßnahmen der Währungsreform erläuterten (zum Beispiel Kopfgeld). Schließlich folgt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949. Den Abschluss bildet die Volksabstimmung über die Hessische Verfassung am 28. Oktober 2018.