Brundtlandbüro: Stadt legt erstmals Energiewendebericht vor

CO2-Bilanz in städtischen Objekten

In den letzten 29 Jahren wurden in Viernheim zahlreiche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Nutzung regenerativer Energien im städtischen Gebäude- und Anlagenbestand umgesetzt. Diese Maßnahmen tragen jetzt Früchte: Die für den Klimaschutz entscheidenden CO2-Emissionen konnten um 53 Prozent gesenkt werden, wie aus dem ersten Energiewendebericht des städtischen Brundtlandbüros hervorgeht.

„Das ist ein beachtlicher Erfolg, wenn man sich vor Augen hält, dass das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung für das Jahr 2030 eine Emissionsminderung um 55 Prozent verlangt“, so Bürgermeister Matthias Baaß, der das Ergebnis des ersten Energiewendeberichts, der das bislang übliche Format des Energieberichts ersetzt, gemeinsam mit dem Brundtlandbeauftragten Philipp Granzow und dem Energiebeauftragten Reinhard Wirths präsentiert. Anteil am dem Erfolg haben auch das Bauverwaltungs- und Liegenschaftsamt sowie die Energieteams in den Gebäuden, ohne deren gemeinsame Arbeit diese Ergebnisse nicht möglich geworden wären.

Aber auf den Erfolgen ausruhen sei keine Option, wie die städtischen Akteure mitteilen, denn das Ziel sei eine Reduzierung von 85 Prozent. „Minus 53 Prozent reichen nicht aus, um die Anforderungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen“ erklärt Brundtlandbeauftragter Philipp Granzow. Daher gelte es, auf dem Weg zu einem klimaneutralen Gebäude- und Anlagenbestand weiter voranzuschreiten. Nächste Maßnahmen sollen die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technik, die Rathaussanierung mit einem zukunftsweisenden Wärmeschutz sowie die schrittweise Umstellung auf regenerative Wärmeversorgung im Gebäudebestand sein.

„Die besten CO2-Emissionen sind die, die man schon früh einspart“, so Granzow. Die Einsparpflicht würde dann nicht an die kommenden Generationen durchgereicht und somit deren Grundrechte auf Zukunft und Freiheit sichern. „Diese, in Klimaschutzkreisen schon lang vertretene Meinung, wurde nun Ende April vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Das Klimaschutzgesetz muss nachgebessert werden.“

Entschiedenes Handeln erforderlich
Die Klimaänderung ist nicht mehr theoretisch, sondern bereits real zu spüren. Die globale Mitteltemperatur ist um 1,1°C gestiegen. Auch in Viernheim sind die Folgen des Klimawandels schon deutlich wahrnehmbar: Starkregenereignisse überfluten Keller und setzen ganze Straßenzüge unter Wasser, lange sommerliche Trockenperioden verursachen Ernteausfälle und bedrohen zunehmend die Existenz der Landwirte, geringe Niederschlagsmengen und lange Trockenperioden lassen eine zunehmende Zahl an Bäumen in der Stadt und im Forst erkranken und absterben. Nur durch entschiedenes und unverzügliches Handeln lassen sich die Folgen des Klimawandels noch begrenzen.

Die Bundesregierung hat sich mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens im Jahre 2015 verpflichtet, die CO2-Emissionen soweit zu begrenzen, dass die Klimaerwärmung möglichst nicht über 1,5 Grad Celsius ansteigt. Daher darf nur noch eine begrenzte Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert werden. Für Deutschland gibt es noch ein CO2-Emissionsbudget von 4.200 Millionen Tonnen. „Bei andauernden CO2-Mengen von derzeit 800 Millionen Tonnen pro Jahr wird das Budget in sechs Jahren vollständig aufgezehrt sein“, so die Prognose des Energiebeauftragten Reinhard Wirths. Nur durch ehrgeiziges Handeln in den nächsten fünf bis sechs Jahren und einer deutlich stärkeren CO2-Minderung könne Zeit gewonnen und die vollständige Treibhausgasneutralität müsste erst 10 bis 15 Jahre später erreicht werden.

Doch der nationale Klimaschutz kann nur erfolgreich sein, wenn alle Sektoren und alle Verantwortlichen ihren Beitrag zur Reduktion der Emissionen leisten.

Hohe Emissionsminderungen durch konsequentes Handeln seit 30 Jahren
Das neue Klimaschutzgesetz legt verbindlich für jedes Jahr bis 2030 auch die CO2-Emissionsmenge des Gebäudesektors fest, das heißt, es muss für jedes Jahr eine sinkende, maximale Emissionsmenge eingehalten werden.

Seit 1990, dem international festgeschriebenen Klimaschutzjahr, reduziert die Stadt Viernheim in ihren städtischen Gebäuden und Anlagen die CO2-Emissionen. 2014 waren diese bereits von 100 auf 63 Prozent gesunken. Die Minderungsfolge konnte auch nach 2014 fortgesetzt werden und beträgt laut aktuellem Energiewendebericht 47 Prozent, somit ein Minus von 53 Prozent an CO2-Emissionen. „Damit hat die Stadt Viernheim bei den eigenen Liegenschaften und Anlagen schon einen bedeutenden Abschnitt auf dem Weg zur Klimaneutralität zurückgelegt und zeigt, dass Emissionsminderungen technisch und wirtschaftlich auch in dieser Größenordnung umsetzbar sind“, so Wirths.

In den ersten städtischen Bestandsobjekten ist eine 85 prozentige CO2-Emissionsminderung erreicht. Hierbei handelt es sich um die Rudolf-Harbig-Halle und die beiden Wohnblöcke in der Peter-Minnig-Straße. In weiteren Objekten, wie dem Bürgerhaus, der Waldsporthalle und der Kita Kapellenberg konnten die CO2-Emissionen um rund 70 Prozent reduziert werden. „Die Erfolge lassen sich nur durch eine Kombination von energetischer Gebäudesanierung und der Nutzung erneuerbarer Energien erreichen“, weiß Wirths. Für jedes Objekt müssten hierzu objektspezifische Lösungen gefunden werden, Einzelmaßnahmen reichten hierbei in aller Regel nicht aus. Sofern Neubauten im städtischen Gebäudebestand entstehen, dürften diese keine zusätzlichen CO2-Emissionen mehr verursachen. „Mit der klimaneutralen Kita Entdeckerland ist dies im Jahr 2019 gelungen“.

Aktuell werden 12 Prozent des Wärmebedarfs regenerativ gedeckt. Mit der Wärmepumpentechnologie im Polizeigebäude in der Kettelerstraße können 20 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäude regenerativ gedeckt werden. Die Wärmeversorgung der Feuerwehr, der beiden Wohnblöcke in der Peter-Minnig-Straße und der Kindertagesstätte Entdeckerland erfolgt zu 100 Prozent regenerativ. In diesen Objekten sind hierfür Holzpelletheizungen im Einsatz.

Sehr viel weiter vorrangeschritten sei laut Wirths die Nutzung regenerativer Energien bei der Stromversorgung über Photovoltaik-Anlagen. Auf den Dächern der TSV-Halle, der Rudolf-Harbig-Halle, des Polizeigebäudes und des Kindergartens Entdeckerland werden schon 37 Prozent (321.000 Kilowattsunden) des Strombedarfs der städtischen Einrichtungen regenerativ gewonnen. Aber auch hier gilt es, nutzbare Dachflächen konsequent weiter für die Stromgewinnung zu erschließen.

Weitere Maßnahmen
Die CO2-Emissionen sind bereits mehr als halbiert, doch zur Erreichung des Emissionsminderungszieles sind noch weitere CO2-Einsparungen notwendig. Weitere große Maßnahmen stehen daher auf der Agenda.

So soll die Straßenbeleuchtung auf LED-Technik umgerüstet werden, denn sie ist der größte Einzelstromverbraucher im städtischen Bestand. Durch die Umstellung könnte hier nach Untersuchung der Hessenenergie der Stromverbrauch um den Faktor 3 gesenkt werden. „Das ist gewaltig und vermag die städtischen CO2-Emissionen auf 35 Prozent im Vergleich zum Klimaschutzbasisjahr zu reduzieren“, so der städtische Energiebeauftragte. Die Umstellung auf LED Straßenbeleuchtung soll in den Jahren 2022 und 2023 erfolgen.

Eine weitere bedeutende Maßnahme stelle die Rathaussanierung dar. Das Rathaus sei ein Musterbeispiel für hohen Energieverbrauch: Kaum Wärmeschutz und Einscheibenverglasung. Mit rund 1 Million Kilowattstunden Jahreswärmeverbrauch handelt es sich hier um den mit Abstand größten Wärmeverbrauch eines städtischen Gebäudes. Für die Sanierung des Rathauses wurde ein vorbildlicher Energiestandard in der Planung implementiert. Die Stadt wird damit Ihrer Verantwortung für den Klimaschutz gerecht, sobald die Sanierung durchgeführt werden kann. Mit dem geplanten Energiestandard für die Rathaussanierung sollen die CO2-Emissionen im städtischen Gebäude- und Anlagenbestand um weitere fünf Prozent gesenkt werden.

Zu guter Letzt soll der Gebäudebestand der Stadt schrittweise auf regenerative Wärmeversorgung umgestellt werden. Hier wird das Gebäudeensemble Rudolf-Harbig-Halle/TSV-Halle der nächste Schritt sein.