Stadtverwaltung informiert zum aktuellen Stand im Zusammenhang mit dem Ukraine Krieg

Intensive Vorbereitungen haben sich gelohnt – Erfolgreiche Wohnraumvermittlung für geflüchtete Menschen - „Vermiete doch an die Stadt!“ – Weiterhin Bedarf

Seit dem Einmarsch russischer Soldaten in die Ukraine am 24. Februar 2022 sind mittlerweile drei Monate vergangen.

Insgesamt 355 geflüchtete Menschen haben seit dieser Zeit in Viernheim bei Freunden und Verwandten Zuflucht gefunden. Waren es am 9. März noch 140 geflüchtete Menschen, die in Viernheim registriert wurden, stieg die Zahl bis 23. März auf 272 an.

74 Personen wurden allein bei der Evangeliums Christen Baptisten Gemeinde aufgenommen. 62 Menschen haben Viernheim inzwischen wieder verlassen und sind in eine andere Stadt umgezogen oder gar in das Heimatland zurückgekehrt, so dass mit Stand 18. Mai 293 geflüchtete Menschen in Viernheim gemeldet sind.

64 Prozent davon sind weiblich. Das jüngste Flüchtlingskind, ein Mädchen, ist zweieinhalb Monate alt und erblickte zwei Tage vor Ankunft in Viernheim noch in der Ukraine das Licht der Welt. Die älteste geflüchtete Person ist männlich und 93 Jahre. 43 Prozent der Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche: 15 Kinder im Krippenalter (1 bis 3 Jahre), 14 Kinder im Kitaalter (ab 3 bis 6 Jahre), 45 Kinder im Grundschulalter und 51 Kinder und Jugendliche im Alter für weiterführende Schulen.

„Die Situation hat sich mittlerweile etwas entspannt, da die Anzahl der Geflüchteten abgenommen hat“, berichtet Bürgermeister Matthias Baaß, der gemeinsam mit Ersten Stadtrat Jörg Scheidel, Sozialamtsleiter Rudolf Haas und Ordnungsamtsleiter Sebastian Geschwind am 18. Mai im Rahmen einer Pressekonferenz über den aktuellen Stand informierte und einen chronologischen Rückblick im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg gab.

Doch nicht allein die zurückgehenden Flüchtlingszahlen, sondern vor allem das frühzeitige Handeln von Seiten der Stadtverwaltung in Verbindung mit der Unterstützung aus der Bürgerschaft habe wesentlich dazu beigetragen, dass der Druck in dieser herausfordernden Zeit weniger wurde, betont der Rathauschef.

„Unsere Motivation war es von Beginn an zu verhindern, dass Zuflucht suchende in Viernheim ankommen und wir nicht wissen, wohin mit diesen Menschen“. Daher habe die Verwaltung sehr früh intensive Vorbereitungen getroffen und mit Hochdruck die Organisationsstruktur innerhalb der Verwaltung für die Unterbringung geflüchteter Menschen aufgebaut, um für den Ernstfall gewappnet zu sein. „Das hat sich als sehr, sehr sinnvoll herausgestellt“, zeigt sich Baaß zufrieden mit Blick auf die zurückliegenden Wochen.

Für die Stadt Viernheim sei dieser Weg genau die richtige Vorgehensweise gewesen: „Der Staat, in diesem Fall die Kommune, schafft eine organisatorische Grundstruktur, auf die sich Privatpersonen, Vereine und Gruppen freiwillig engagieren und auch verlassen können. Nur in diesem Zusammenwirken ist das effektivste Ergebnis zu erzielen“. Würde dies nur von einer Seite ausgehen, so kämen alle schnell an ihre Grenzen. In einem System Verlässlichkeit zu schaffen, sei das zentrale Element, was in einem solchen Fall eine Kommune leisten könne. „Dies ist in Viernheim sehr gut gelungen!“, so Baaß.

Stadt bereitet sich mit Hochdruck auf Flüchtlingsstrom vor

Neben ersten internen Dringlichkeitssitzungen Ende Februar und der Schaltung einer Telefon-Hotline für ukrainische Geflüchtete und die Bürgerschaft (06204 988-266) sowie der Einrichtung einer zentralen E-Mail- Adresse () im Rathaus Anfang März, erfolgten im gleichen Zug die Bildung eines Verwaltungsstabs und der Aufruf in der Bevölkerung, leerstehenden Wohnraum zu vermieten.

Parallel fanden die ersten Besichtigungen größerer Liegenschaften für Sammelunterkünfte im Stadtgebiet statt, sowie die sofortige Herrichtung der ersten beiden kleineren Liegenschaften. Zu dieser Zeit gab es von oberer Stelle konkrete Meldungen, Viernheim müsse mit mindestens 500, wenn nicht sogar mit bis zu 1000 Geflüchteten rechnen.

„Im Auftrag des Kreises, der für die Belegung der Sammelunterkünfte zuständig ist und die Stadt Viernheim um Amtshilfe bat, wurden von uns drei Liegenschaften inklusive Sanitäranlagen und Versorgungsunternehmen mit Kapazitäten für bis zu 250 Personen aufgebaut, die jedoch letzten Endes nicht belegt und mit Stand heute vom Kreis mittlerweile wieder aufgehoben wurden“, berichtet Sebastian Geschwind. Da die Flüchtlingszahlen zurückgegangen seien, sei der Bedarf an Notunterbringung im größeren Stil ebenfalls zurückgeschraubt worden. Lediglich die Unterkunft im Pfadfinderheim für 20 bis 25 Personen solle auf „Stand by“ gehalten und eventuell noch über den Kreis belegt werden.

Große Unterstützung aus der Bürgerschaft

Eine sehr große Entlastung für die Stadtverwaltung stellte das freiwillige Engagement der zahlreichen Bürgerinnen und Bürger dar, die geflüchtete Personen, teilweise bis zu 12 Personen, kurzfristig in ihren Privathaushalten aufgenommen hatten. Parallel halfen diese als direkte Ansprechpersonen der Ukraine-Geflüchteten und in Zusammenarbeit mit dem Amt für Soziales und Standesamt beim Anmeldeverfahren im Bürgerbüro, der Zusammenstellung von Informationen für die ausländerbehördliche Anmeldung und Beantragung von Sozialleistungen.

Dank der sofortigen Einrichtung einer Telefon-Hotline und der zentralen E-Mail-Adresse war es dem Amt für Soziales und Standesamt möglich, so mit den gastgebenden Familien Kontakt zu halten und Informationen an die geflüchteten Personen weiterzugeben. „Das hat uns die Arbeit sehr erleichtert, vielen Dank daher an alle gastgebenden Personen“, betont Amtsleiter Rudolf Haas. Auch finanziell traten etliche Gastfamilien in Vorlage oder bürgten für die aufgenommenen geflüchteten Personen, bis diese ihre beantragten Sozialleistungen beziehen konnten.

Einen beachtlichen Erfolg konnte das Projekt „Vermiete doch an die Stadt!“ verzeichnen. Nachdem in der ersten Pressekonferenz zum Ukraine-Krieg am 9. März Bürgermeister Baaß und Erster Stadtrat Scheidel die Bürgerschaft aufgerufen hatten, leerstehenden Wohnraum für Geflüchtete bereitzustellen und im Rahmen des Projekts an die Stadt Viernheim zu vermieten, wurden innerhalb kürzester Zeit mehrere Wohnungen und auch einzelne Zimmer an die Stadtverwaltung gemeldet. Auch wenn nicht alle davon geeignet waren, konnten jedoch mit heutigem Stand insgesamt 29 Wohnungen und drei Zimmer akquiriert werden. Bei 17 Wohnungen erfolgte bereits der Einzug, bei 12 Wohnungen läuft das Verfahren. Ebenso wurde bereits ein Zimmer bezogen. „Das ist eine enorme Zahl“, macht Bürgermeister Baaß deutlich. Denn im Verhältnis zur Gesamtsumme von rund 70 bisher angebotenen Wohnungen vor Beginn des Ukraine-Kriegs sei dies rund ein Drittel mehr in so kurzer Zeit. Baaß: „Diese Bereitschaft ist sehr, sehr zu loben!“

Wenn alle Wohnungen und Zimmer bezogen sind, haben 97 Menschen Wohnraum gefunden. Auch die gastgebenden Personen sowie die geflüchteten Menschen zeigten sich über diese Unterstützungsform sehr dankbar, berichtet Baaß, da eine Unterbringung von mehreren Personen auf engem Raum dauerhaft nicht möglich gewesen wäre. Einige Städte und Gemeinden stünden aktuellen Berichten zufolge genau vor dieser Problematik und könnten die Bürgerinnen und Bürger, die bei sich zu Hause Geflüchtete aufgenommen hätten, nicht entlasten. Baaß: „Dass das nicht dauerhaft gut gehen kann, war uns von Anfang an bewusst. Dem wollten wir mit all unserem Handeln vorbeugen und haben daher frühzeitig eine dauerhafte Unterbringung angestrebt, in der sich die Menschen auch auf längere Zeit wohlfühlen können.“

Zwar können die Geflüchteten bei manchen Gastfamilien auch noch für längere Zeit wohnen bleiben, trotzdem werden weiterhin Wohnungen gesucht, denn das Projekt läuft weiter, auch für geflüchtete Menschen aus anderen Ländern, macht Haas deutlich. Um das Projekt in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger noch stärker zu verankern, wurde nun eigens dafür ein Logo entworfen.

Neue ukrainische Mitarbeiterin unterstützt die Stadt Viernheim

Mittlerweile wurde das Amt für Soziales und Standesamt, das seit Beginn des Ukraine-Kriegs direkter Ansprechpartner für die geflüchteten Menschen ist und die Telefon-Hotline sowie die eingerichtete zentrale E-Mail-Adresse betreut, allen voran die stellvertretende Amtsleiterin Jacqueline Kursawe, auch personell verstärkt.

Seit dem 9. Mai unterstützt Oksana Bardus, ukrainische Muttersprachlerin, zunächst befristet für sechs Monate das Amt bei Übersetzungsarbeiten und fungiert als Ansprechpartnerin für ukrainische Geflüchtete. „Frau Bardus ist selbst Anfang März aus der Ukraine geflüchtet und besitzt neben ihrer Muttersprache und einem Germanistikstudium sehr gute deutsche, russische und englische Sprachkenntnisse“ berichtet Rudolf Haas. Neben der Möglichkeit, Anfragen an die Stadt nun auch auf Ukrainisch richten zu können, vermittle die neue Mitarbeiterin auch gleichzeitig kulturelle Unterschiede beider Länder und trage so wesentlich zur besseren Verständigung bei. „Eine Win-Win-Situation für alle“, freut sich Baaß.

Unterdessen hat der Verein Lernmobil Viernheim e.V. mit den Sprach- und Integrationskursen für die ukrainischen Geflüchteten begonnen, berichtet Haas weiter. Auch die Schulen haben schnell Intensivklassen eingerichtet und somit den Schulbesuch ermöglicht. Ältere ukrainische Schüler hätten die Möglichkeit, am Unterricht via Internet teilzunehmen, um so noch den Abschluss ablegen zu können.

Schwieriger sieht es bei den Betreuungsplätzen in den Krippen und Kitas aus. „Alle Einrichtungen sind voll, zudem gibt es Wartelisten, so dass wir kurzfristig keine Betreuungsplätze anbieten können“, so Haas. Jedoch sei man mit dem Familienbildungswerk gerade in der Planung, im sogenannten Kinderhaus voraussichtlich an drei Vormittagen zu jeweils drei Stunden Begegnungszeiten für Mütter mit Kindern anzubieten.

Gleichzeitig gibt es unterschiedliche Freizeitangebote von Vereinen, wie zum Beispiel der Kindersportschule, des TSV Amicitia Mädchen- und Damenfußball oder das städtische Angebot „Sport im Park“.
Die Vereine können sich bezüglich weiterer Freizeitangebote gerne an das Sozialamt wenden.

Aber auch für die geflüchtete Generation über 50 Jahre gab es bereits ein Treffen auf Initiative der SBS55+, was rege angenommen wurde. 12 Personen hatten daran teilgenommen und ihr Interesse signalisiert, an dem offenen Angebot zukünftig teilzunehmen.

Darüber hinaus gibt es einen Systemwechsel der Geflüchteten zum 1. Juni 2022 von der Sozialhilfe (Asylbewerberleistungsgesetz – Zuständigkeit beim Kreissozialamt), zum Arbeitslosengeld II (Hartz IV – Zuständigkeit beim Jobcenter-Eigenbetrieb Neue Wege).


Kontakt

Aber auch weiterhin steht das Amt für Soziales und Standesamt als allgemeiner Ansprechpartner in allen Belangen zur Flüchtlingssituation zur Verfügung.

Kontakt telefonisch unter 988-266 oder über die zentrale E-Mail-Adresse .

Auch Wohnungsangebote im Rahmen des Projekts „Vermiete doch an die Stadt!“ können über diesen Weg gemeldet werden.

Weitere Informationen auch unter www.viernheim.de/ukrainehilfe 


Große Unterstützung für polnische Partnerstadt

Auch das von der Stadt Viernheim eingerichtete Spendenkonto für die polnische Partnerstadt Mława, die seit Kriegsbeginn stark vom Flüchtlingsstrom betroffen ist, hat einen neuen Höchststand erreicht. Durch die großartige Spende der Albertus-Magnus-Schule im Rahmen des Friedenslaufs in Höhe von 24.653,93 Euro ist auf dem Spendenkonto mittlerweile eine Gesamtsumme von 75.107,48 Euro zusammengekommen, die die Bevölkerung gespendet hat. „Das ist eine bemerkenswerte Zahl“, so Bürgermeister Baaß, der sich in diesem Zug nochmals bei allen Spenderinnen und Spendern ausdrücklich bedankt.

Aber auch die französische Partnerstadt Franconville hat ihre Unterstützung zugesagt, wie der dortige Bürgermeister Xavier Melki an den Viernheimer Amtskollegen vor einigen Wochen verkündete. Ende Mai wird daher eine Delegation nach Mława fahren, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen und Unterstützung zu leisten. Vorher wird die Delegation einen Zwischenstopp in Viernheim einlegen. „Es wird auch zukünftig eine enge Verknüpfung zwischen Franconville – Mława - Viernheim geben“, berichtet Baaß. Etwas Besseres könne es nicht geben.