Ukraine-Krieg: Verwaltung bereitet Notunterkünfte für weitere Geflüchtete vor

Großer Dank an Privatleute für rasche Unterbringung

Weiterhin leerstehender Wohnraum für Anmietung gesucht

Es steckt unheimlich viel Dynamik in der ukrainischen Flüchtlingsbewegung und täglich steigen die Zahlen: Mittlerweile 306 Menschen (Stand 28. März) aus der Ukraine sind in Viernheim angekommen. Dank der intensiven Zusammenarbeit zwischen Sozialamt und Bürgerbüro konnten bereits 243 Personen melderechtlich erfasst werden, die restlichen werden in den nächsten Tagen im Bürgerbüro registriert.

Das jüngste Flüchtlingskind erblickte zwei Tage vor der Flucht mit der Mutter in der Ukraine das Licht der Welt und ist jetzt vier Wochen alt. Die älteste Person wird in knapp drei Wochen 93 Jahre. Der Großteil der Geflüchteten ist weiblich (64 Prozent), knapp die Hälfte der derzeit registrierten Personen sind unter 18 Jahren. Bisher sind alle geflüchteten Menschen in Privathaushalten bei Viernheimer Bürgerinnen und Bürgern untergebracht.

Rund 70 Personen davon allein bei der Evangeliums Christen Baptisten Gemeinde "Das ist die beste Form der kurzfristigen Hilfe, die eine Stadt haben kann, für diese große Aufnahmebereitschaft der vielen Bürgerinnen und Bürger bedanken wir uns ausdrücklich," so Bürgermeister Matthias Baaß gemeinsam mit Ersten Stadtrat Jörg Scheidel bei einer Pressekonferenz, in der beide am vergangenen Montag zum aktuellen Stand der Flüchtlingssituation berichteten.

Doch wie viele Menschen aus der Ukraine noch nach Viernheim kommen ist unklar. "Nach den aktuellen Prognosen rechnet der Bund mit einer Million Flüchtenden, so dass der Kreis gemäß dem Königsteiner Verteilschlüssel rund 3 800 Personen aufnehmen müsste", erklärt Amtsleiter Rudolf Haas vom Amt für Soziales und Standesamt. Dies bedeute für Viernheim eine Anzahl von insgesamt 479 Flüchtlingen.

In weiser Voraussicht wurde die Stadt Viernheim bereits unmittelbar nach Kriegsausbruch am 24. Februar aktiv und hatte mit Hochdruck die Organisationsstruktur innerhalb der Verwaltung für die Unterbringung geflüchteter Menschen aufgebaut, um für den Ernstfall entsprechend vorbereitet zu sein. Neben der Schaltung einer Telefon-Hotline für ukrainische Geflüchtete und die Bürgerschaft (06204 988 266) in Verbindung mit der Einrichtung einer eigenen E-Mail-Adresse () im Rathaus, erfolgten im gleichen Zug die Bildung eines Verwaltungsstabs und die ersten Besichtigungen größerer Liegenschaften für Sammelunterkünfte im Stadtgebiet sowie die sofortige Herrichtung der ersten beiden kleineren Liegenschaften.

"Wir wollten für den Notfall, dass der Kreis uns von einem Tag auf den anderen Geflüchtete zuweist, vorbereitet sein und konnten so kurzfristig innerhalb eines Wochenendes Kapazitäten für rund 44 Personen schaffen", berichtet Baaß. Gemeint sind zum einen das Vereinsheim der Pfadfinder, das sich in städtischem Besitz befindet und mit ca. 200 Quadratmeter Fläche eine Kapazität für 20 Personen hat. "Die Pfadfinder haben der Umnutzung sofort zugestimmt und gleich mit angepackt, alles Nötige herzurichten", ergänzt Haas. Dank der Bereitschaft des angrenzenden TSV und einem Wanddurchbruch stünden in dieser Unterkunft auch sanitäre Anlagen zur Verfügung, so dass die Unterkunftsstätte autark betrieben werden könnte.

Zum anderen wurde der Stadt kurzerhand von einem privaten Unternehmer ein Stockwerk eines Bürogebäudes "Am Neuen Weg" zur Anmietung bereitgestellt, das mit 200 Quadratmetern Platz für bis zu 50 Personen bietet. "Wir warten hier noch auf die Lieferung der sanitären Container und die externe Versorgung muss noch geregelt werden, dann kann diese Liegenschaft ebenfalls genutzt werden," weiß Haas.

Weitere Unterbringungsmöglichkeiten, die akquiriert werden konnten und sich derzeit im Aufbau befinden, sind das Gebäude einer ehemaligen Holzhandlung (200 Quadratmeter) mit Platz für 14 bis 20 Betten sowie ein Bürogebäude in der Lilienthalstraße mit einer Fläche von 1 505 Quadratmeter und Platz für ca. 150 bis 300 Betten.

Ziel der Stadt Viernheim sei es von Beginn an gewesen, schnellstmöglich aktiv zu werden, um den zu erwartenden Ansatz an zugewiesenen Flüchtenden abdecken zu können. "Je nach Ausstattung bieten uns die Liegenschaften als Notunterkünfte Unterbringungskapazitäten für mindestens 234 Personen, höchstens 420, so dass wir für größere Zuweisungen durch den Kreis Bergstraße vorerst gut aufgestellt sind", berichtet der Verwaltungschef und weist gleichzeitig darauf hin, dass Viernheim diesbezüglich im Kreis eine Vorreiterrolle einnehme. Bezüglich der Ausstattung werde die Stadt Viernheim in Vorleistung treten, würde aber vom Kreis einen entsprechenden Kostenersatz erhalten, sobald die Pauschale pro Geflüchteten zwischen Bund und Land feststehe.

Weiterhin Wohnraum zur längerfristigen Anmietung für Geflüchtete gesucht
Doch das große Anliegen der Stadt Viernheim ist und bleibt die dezentrale Unterbringung der Ukraine-Geflüchteten, nach Möglichkeit in geeigneten Wohnungen innerhalb Viernheims und auf längere Sicht. "Die größte Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern ist, uns leerstehenden Wohnraum zur Anmietung zur Verfügung zu stellen", so der erneute Appell der Stadt von Seiten des Ersten Stadtrats Jörg Scheidel.

"Die meisten geflüchteten Menschen haben ihr komplettes Hab und Gut verloren und werden wahrscheinlich vorerst nicht in ihr Heimatland zurückkehren können", so Scheidel weiter. "Wir können die Geflüchteten mit ihren Kindern nicht auf Wochen in Sammelunterkünften oder bei Verwandten und Bekannten in Viernheim unterbringen".

Einfachste Möglichkeit und ein bewährtes Konzept, so Scheidel, sei hierbei das 2015 anlässlich der damaligen Flüchtlingskrise initiierte Projekt "Vermiete doch an die Stadt!", bei dem die Stadt Viernheim als direkter Mieter fungiert und der Vermieter dadurch die Gewähr für eine pünktliche Mietzahlung und direkte städtische Ansprechpartner während der Vermietungsphase erhält. Insgesamt 69 Wohnungen für insgesamt 241 Personen konnten in den zurückliegenden Jahren auf diesem Wege akquiriert werden.

Bereits am 9. März rief die Stadt Viernheim im Rahmen einer ersten Pressekonferenz zur Flüchtlingssituation in der Ukraine die Bürgerschaft auf, leerstehenden Wohnraum zur längerfristigen Anmietung für Geflüchtete der Stadt Viernheim zur Verfügung zu stellen.

"Wir erhielten 15 Wohnungsangebote, von denen 11 nutzbar sind", freut sich Haas über den erfolgreichen Aufruf. Somit könnten rund 37 geflüchteten Menschen nun ein neues zu Hause geboten werden. "Diese Woche werden wir die Personen über die Gastfamilien kontaktieren und die Botschaft verkünden." Auch hier danke die Stadt Viernheim allen Privatleuten für die Wohnungsangebote, sehe sich aber gleichzeitig in ihrer Vermutung bestätigt, dass es in Viernheim noch mehr Wohnungen gebe, die wahrscheinlich schon seit längerer Zeit leer stünden. Die Gründe dafür seien meistens unterschiedlicher Natur, weiß Rudolf Haas: "Manche Vermieter haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Mietern gemacht und lassen die Wohnung daher lieber leer stehen. Oder sie scheuen sich vor dem bürokratischen Aufwand, den ein Mietverhältnis mit sich bringt". Hier könne die Stadt Viernheim jedoch bestehende Zweifel ausräumen, denn das Amt sei für alle weiteren mietrechtlichen Belange der kompetente Ansprechpartner, betreue die Untermieter und bearbeite auch die anstehenden Nebenkostenabrechnungen. Auch bei Auflösung des Mietverhältnisses sorge die Stadt auf Wunsch für einen geeigneten Nachmieter.

Aber auch, wenn die Stadt Viernheim als Mieter die Mietzahlungen gewährleistet, müssen sich die Mietpreise in einem angemessenen Verhältnis bewegen. "Der Preis pro Quadratmeter für Menschen im Leistungsbezug nach dem Asylbewerberleistungsgesetz richtet sich nach den Vorgaben des Kreises Bergstraße", erklärt Haas. In der Regel lägen diese bei 6 bis 8 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Aber auch die Größe einer Wohnung sei hier fest geregelt und abhängig von der Personenzahl. Wer sich unsicher sei, ob sich seine leerstehende Wohnung im Rahmen des Projekts "Vermiete doch an die Stadt!" für eine Untervermietung eigne, solle sich zu einer Beratung und Besichtigung an die Stadt Viernheim wenden. "Sinnvoll wäre allerdings eine Anmietungsdauer von mindestens einem Jahr", betont Haas.

Für Rückfragen zum Projekt "Vermiete doch an die Stadt!" steht Rudolf Haas gerne unter Telefon 06204 988 226 oder E-Mail zur Verfügung.

Zentrale Anlaufstelle bei der Stadt Viernheim in Sachen Ukrainehilfe ist das Amt für Soziales und Standesamt mit der Servicenummer (06204) 988 - 266 oder E-Mail .

Bildtexte:
Bild 1-3 (Pfadfinderheim): Das Pfadfinderheim in der Lorscher Straße mit Schlafraum, eigener Küche und Gemeinschaftsraum
Bild 4 (Bürogebäude Neuer Weg): Ein komplettes Stockwerk wurde der Stadt Viernheim für eine Sammelunterkunft angeboten, das Platz für 50 bis 90 Betten bietet
Bild 5 (Bürogebäude Lilienthalstraße): Aktuell die größte Liegenschaft, die die Stadt Viernheim akquirieren konnte: Ein Bürogebäude in der Lilienthalstraße mit 1 050 Quadratmetern und Kapazitäten für 150 bis 300 Betten.