Brundtlandbüro: Ein Jahr BürgerSolarBeratung in Viernheim

Bürger beraten Bürger ehrenamtlich in Sachen Photovoltaik

Ein guter Teil der Energiewende kann in Viernheim auf den Dächern von Gebäuden stattfinden - mit einer eigenen Fotovoltaikanlage. Ein paar Fakten zu Fotovoltaik sind unterdessen Allgemeinwissen geworden. Wenn es aber ganz konkret wird und eine eigene Anlage zu planen ist, kommen viele Fragen auf:

  • Ist mein Dach geeignet?
  • Wie groß wähle ich die Anlage?
  • Wie gelangen die Kabel vom Dach in den Keller?
  • Kann ich ein E-Auto laden?

Oftmals wird das Vorhaben wegen ungeklärter Fragen oder aufgrund der Komplexität in Bezug auf die Steuererklärung wieder verworfen. Licht bzw. Sonne ins Dunkel bringen die BürgerSolarBerater, ein Zusammenschluss von Bürgern, die in Viernheim in Kooperation mit dem städtischen Brundtlandbüro interessierte Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich beraten mit dem Ziel, die Nutzung von Sonnenenergie im privaten Bereich zu verstärken.

Am vergangenen Montag (6. März) wurde das neue Bürgernetzwerk im Rahmen einer Pressekonferenz des Brundtlandbüros gemeinsam mit Bürgermeister Matthias Baaß in den Räumen des Tauchcentrums vorgestellt: Gerhard Goldmann, Ansgar John, Carsten Müller, Joachim Zemke, Lars Haumbach-Görtz, Peter Holzschuh, Joachim Keune, Bernhard Sax und Ulrich Kahnert haben sich die Aufgabe gestellt, Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich und anbieterunabhängig zu den technischen, wirtschaftlichen und ganz praktischen Aspekten einer eigenen Fotovoltaikanlage zu beraten. Die Beratung schließt damit eine Lücke zwischen Laien und Profis. Sie liefert eine gute Vorbereitung, um sich Angebote von Solarteuren, die die Anlage später bauen sollen, einzuholen und kompetent zu beurteilen. Die BürgerSolarBerater begleiten die Interessenten - falls gewünscht – im Hintergrund auf dem gesamten Weg von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Montage der PV-Anlage.

Aktiv sind die Berater bereits seit einem Jahr, die einem Aufruf der Stadt Viernheim im September 2021 folgten und daraufhin an einer durch die Verwaltung finanzierten BürgerSolarBerater-Schulung durch den gemeinnützigen Verein MetropolSolar e. V. teilnahmen. „Ich habe 2005 eine eigene Anlage auf meinem Dach installiert und als der Aufruf der Stadt kam, fühlte ich mich sofort angesprochen“, berichtet Peter Holzschuh von seiner Intention, als Berater tätig zu werden. Gut 60 Beratungen wurden im vergangenen Jahr durchgeführt. „Die Beratung ist ehrenamtlich, fachlich neutral und anbieterunabhängig und damit sehr wertvoll,“ lobt Bürgermeister Matthias Baaß. „Ich bedanke mich sehr für dieses Engagement!“

Beratung Schritt für Schritt

„Sobald eine Anfrage für ein Beratungsgespräch vorliegt, wird zuerst über einen Kartendienst im Internet die Lage des Hauses eingesehen“, stellt Holzschuh die Arbeitsweise der Berater vor. Luftbilder ermöglichten erste Einschätzungen über die Eignung des Daches für Solarmodule. „Dann folgt das Telefongespräch mit dem Interessenten, bei dem erste Grundinformationen eingeholt werden“, wie zum Beispiel der Stromverbrauch, die Anzahl der Personen im Haushalt und ob diese Kinder, Rentner oder Berufstätige sind. Denn dies habe Einfluss auf den Stromverbrauch. Des Weiteren sei es wichtig zu wissen, ob die Anschaffung eines Elektroautos oder einer Wärmepumpe geplant sei, um mögliche Faktoren, die in Zukunft den Stromverbrauch beeinflussen könnten, zu ermitteln. Die Projektierung der Anlagengröße erfolge über einen Kartendienst, bei dem der Berater eine gute Ansicht über die Ausrichtung und Größe des Daches erhält. Dann würden alle Daten im System erfasst, das den Stromertrag und den Eigenverbrauch ermittelt. Gleichzeitig könnten mit weiteren Werten die Kosten und die Amortisation, also in wieviel Jahren die Kosten durch Erträge ausgeglichen wären, berechnet werden. „In der Regel hat sich die Investition nach ca. 10 Jahren gerechnet, zusammen mit einem E-Auto ist die Amortisation noch schneller erreicht“, weiß Holzschuh.

Im Anschluss erfolgt das persönliche Gespräch, bei dem der Berater dem Interessenten die Ergebnisse vorlegt und ihn über die nächsten Schritte berät. „Auf Wunsch können wir dem Bürger auch eine Liste mit möglichen Solarteuren aushändigen“, so Ansgar John. Eine Empfehlung, für welches Unternehmen man sich entscheiden solle, würde jedoch nicht ausgesprochen werden. „Wir schauen uns aber gerne die Angebote an, sobald diese vorliegen und stehen dem Bürger auch weiterhin für aufkommende Fragen zur Verfügung“, sichert Gerhard Goldmann zu. Spätestens nach drei Monaten erkundige man sich aber automatisch beim Bürger nach dem aktuellen Stand. Rund 70 bis 80 Prozent der beratenen Bürger hätten den Kauf und die Montage einer Solaranlage bereits abgeschlossen bzw. eine Bestellung vorgenommen. „Der Rest ist noch unsicher oder hat das Vorhaben aufgrund von längeren Lieferzeiten, die bis zu sechs Monaten und mehr betragen können, nicht weiterverfolgt“, so das Ergebnis aus den zurückliegenden 60 Beratungen. Spezialisiert sind die BürgerSolarBerater auf den Bereich von privaten Ein- und Zwei-Familienhäuser, der Zeitaufwand für eine Gesamtberatung liegt bei 3 bis 4 Stunden pro Bürger.

Ende 2022 waren 642 Photovoltaikanlagen mit einer installierten Leistung von 10.760 Kilowatt am Viernheimer Netz. Durch den Betrieb der Anlagen konnten CO2-Emissionen in Höhe von ca. 4.000 Tonnen eingespart werden. Der Einsatz von Fotovoltaik ist lokal betrachtet ein bedeutendes Mittel zur Senkung der Emissionen. Das Potenzial ist noch riesig.

Beratungstermin über das Brundtlandbüro

Die Vermittlung von Interessenten an einer BürgerSolarBeratung erfolgt über das Brundtlandbüro (Telefon 06204 988-222). Wer dort anruft und sich für Fotovoltaik interessiert, wird auf eine Interessentenliste gesetzt. Die Wartezeit für ein Beratungsgespräch beträgt aktuell 3 bis 4 Wochen.

Zusätzlich sind die BürgerSolarBerater bei der Veranstaltung „Tage der Erde“ des Vereins Vogelpark e. V. am 22. und 23. April von jeweils 10 bis 18 Uhr mit einem eigenen Informationsstand vertreten und stehen den Bürgern für ein Gespräch persönlich zur Verfügung.

Zur Information

Das Modell „BürgerSolarBeratung“ hat seinen Ursprung im Kreis Bergstraße im Weschnitztal. Von dort sprang vor einigen Jahren durch den Viernheimer Martin Beickler der Funke über, der sich in der Folge mit den Mitstreitern Alois Huber und Gerhard van Hülst als „Solarer Nachbarschaftshelfer“ in Viernheim engagierte. Durch Beicklers Umzug nach Worms entstand in Viernheim eine Lücke und von Seiten der Stadt gleichzeitig der Wunsch, das erfolgreiche Projekt wiederzubeleben.

Dem Aufruf der Stadt Viernheim folgten 15 Viernheimer. Die Ehrenamtlichen eigneten sich in mehreren Online-Workshops zunächst die theoretischen Grundlagen an, die anschließend mit Martin Beickler als Mentor in einer Praxisphase vertieft wurden, so lange, bis die neue BürgerSolarBerater-Gruppe in der Lage war, erste eigenständige Beratungen durchzuführen.