Stadtarchiv: Viernheimer Geschichte wandert nach Mannheim aus

Ab sofort Online-Recherche und Einblick in Archivgut möglich

Die Kapazitäten des Stadtarchivs waren schon lange erschöpft, die Räumlichkeiten erfüllten nicht die archivischen Anforderungen und es gab keinen Platz sowie personelle Ressourcen für einen Benutzerdienst, um das Viernheimer Archivgut angemessen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Zeit für die Stadt Viernheim, neue Wege zu gehen. Das Ergebnis: Eine Kooperation mit dem MARCHIVUM – Mannheims Archiv, Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung, das das Archivgut nun in Rollregalanlagen und Planschränken nach den höchsten archivischen und konservatorischen Standards aufbewahrt. 270 laufende Meter Viernheimer Geschichte warten nun in Mannheim darauf, von den Bürgerinnen und Bürgern entdeckt und erforscht zu werden. Großer Vorteil dabei ist, dass Interessierte sich im Vorfeld im Internet über die historischen Bestände erkundigen und im Anschluss einen Einblick in die Akten im MARCHIVUM vor Ort nehmen können.

Gemeinsam stellten Bürgermeister Matthias Baaß, der stellvertretende Leiter des MARCHIVUMS Dr. Harald Stockert sowie Elke Leinenweber, Abteilungsleiterin Stadtgeschichte im Kultur- und Sportamt die Kooperation in den Räumlichkeiten des Viernheimer Museums vor. „Wir sind sehr froh und dankbar, dass wir der Öffentlichkeit mit der Kooperation einen bestmöglichen Zugang zu unseren historischen Beständen bieten können“, erklärt der Rathauschef. Denn das MARCHIVUM biete mit benutzerfreundlicher Recherche durch Beratung während umfänglicher Öffnungszeiten, einem Benutzersaal inklusive einer Aufsichtspflicht, Magazinverwaltung sowie eine Online-Titelrecherche das Gesamtpaket an Service. „Natürlich entsteht dadurch auch die Perspektive, dass Themen der Viernheimer Stadtgeschichte verstärkt in wissenschaftliche Forschungen aufgegriffen werden können und somit die weitere Forschung zur Geschichte der Stadt gefördert wird“, hebt Baaß weitere Vorteile hervor.

Auch Stockert, der ab 1. August neuer Leiter des MARCHIVUMS ist, freut sich über die erstmals mit einer hessischen Stadt abgeschlossenen Kooperation und sieht darin eine Win-Win-Situation für alle. „Wir freuen uns natürlich auf den Besuch zahlreicher Viernheimer Bürgerinnen und Bürger, denn das MARCHIVUM bietet neben historischen Beständen regelmäßig interessante Vorträge sowie Ausstellungen zu stadtgeschichtlichen Themen an.“

Besonders erfreut zeigte sich Stockert über die bemerkenswert intakte Überlieferung des Archivguts und welche Schätze die „Viernheimer Geschichte“ beinhalte, die nun in seinem Hause verwahrt würden. „Ein Schiedsspruch des Pfalzgrafen Philipp in dem Streit Schönau gegen Viernheim vom 5.12.1503“, zeigt Stockert beeindruckt ein Foto einer Originalurkunde auf Pergament mit Heidelberger Siegelbruchstücken, das damit gleichzeitig das älteste Dokument im Gesamtbestand des MARCHIVUM darstellt.

Ein besonderer Dank ging vom Rathauschef an Elke Leinenweber, aber auch an das MARCHIVUM, für die intensiven Vorarbeiten bis zum heutigen Tag. Denn nach dem Abschluss der Kooperation im November 2019 mussten zunächst sämtliche Archivbestände auf Vollständigkeit überprüft, ca. 1.600 Kartons als Viernheimer Archivgut beschriftet, die Erfassung aller Archivbestände in der Viernheimer Archiv-Datenbank kontrolliert bzw. ergänzt und das Archivgut nach Mannheim transportiert werden. Dann folgte in einem zweiten sehr zeitintensiven Schritt die Übertragung der Daten von der Viernheimer Archiv-Datenbank in das Datenbanksystem des MARCHIVUM.

Geschichte Viernheims bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs

Die eingelagerten Unterlagen unterteilen sich in das Historische Archiv, die städtischen Aktenbestände ab 1945, private Nachlässe sowie verschiedene Sammlungen.

Das Historische Archiv umfasst etwa 280 Aktenbände, bestehend aus ca. 3.000 Einzelakten. Sie bilden die Geschichte Viernheims bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ab. Die Überlieferung beginnt mit den ältesten Schätzen des Archivs, den Pergamenturkunden des 16. bis 18. Jahrhunderts, unter denen sich die Lehensbriefe über das Erblehen der Adelsfamilie Dreymüllen befinden. Die Entwicklung der Landwirtschaft, die für das Leben der Viernheimer über Jahrhunderte hinweg prägend war, lässt sich unter anderem an den Tabakwiegebüchern, den Zollverordnungen und den Sprungregistern, welche Auskunft über die Zuchtvorgänge in der Viehwirtschaft geben, nachvollziehen. Die Belastungen der Bevölkerung, die die Kriege des 18. und 19. Jahrhunderts mit sich brachten, sind in den Kriegskostenrechnungen dokumentiert.

Die neueren Bestände umfassen die Amtsakten der Stadtverwaltung Viernheim von 1945 bis zur Gegenwart. Erwähnenswert sind insbesondere die Hauptamtsakten mit Schwerpunkten zur Nachkriegsgeschichte bis 1960. Die Diskussionen um die Stadtentwicklung sind in den Protokollen der Stadtverordneten-, Ausschuss- und Magistratssitzungen der 1960er bis 1980er Jahre festgehalten. Hier finden sich die wichtigen Beschlüsse unter anderem zum Rathausneubau, dem Hallenbadbau, dem Bürgerhausbau sowie zur Altstadtsanierung. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit bieten Akten, die sich mit den Protesten und Auseinandersetzungen um die Freigabe des Viernheimer-Lampertheimer Waldes von der militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte beschäftigen. Weiterhin werden private Nachlässe verwahrt, ferner eine Sammlung historischer Kartenwerke und Pläne.

Das Stadtarchiv verfügt auch über eine umfangreiche Fotosammlung mit historischen Stadtansichten, Bilddokumentationen zu Abrissgebäuden bzw. Neuerrichtungen von Gebäuden, Personen und Personengruppen. Diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt in großen Teilen ebenfalls über das Internet digital einsehbar werden, jedoch sind im Vorfeld noch rechtliche Einschränkungen zu prüfen. Ebenso wird zur Zeit der Zeitungsbestand der Jahrgänge 1892 bis 1938 digitalisiert, der aufgrund des Alters und aus konservatorischen Gründen der Öffentlichkeit nicht mehr zur Verfügung gestellt werden konnte. Diese sollen dann ebenfalls in diesem Jahr „online“ gehen.

Online-Recherche

Alle interessierten Bürger können sich im Internet unter scope.mannheim.de über die Bestände informieren. Über die Archivplansuche gibt es Einblick in den gesamten Viernheimer Archivbestand. Wer konkret innerhalb des Archivbestands recherchieren will, sollte den Knotenpunkt „Stadtarchiv Viernheim“ markieren und die Ansicht auf diese Verzeichnungseinheit (VE) einschränken. Anschließend ist die Suche nach Einzelstichworten über die Suchmaske möglich. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, direkt über die Suchmasken zu recherchieren und dann Ergebnisse aus dem Mannheimer und dem Viernheimer Archivbestand zu erhalten – für die Regionalforschung ein komfortabler Weg, um einen umfassenden Überblick über die Aktenlage zu erhalten.

Im freundlich gestalteten Benutzersaal des MARCHIVUM können die Akten dann nach vorheriger Terminvereinbarung vor Ort eingesehen werden. Vorbestellungen von Unterlagen sind unter Angabe der auf der Datenbank angezeigten Signatur telefonisch oder per E-Mail möglich. Auch PC-Arbeitsplätze können vorab reserviert werden.

Dieses Serviceangebot sowie weitere sind kosten- und gebührenpflichtig. Informationen hierzu gibt es in der Gebührenordnung auf der Internetseite des MARCHIVUM unter www.marchivum.de/information/services


Die Öffnungszeiten sind Dienstag, Mittwoch und Freitag von 8 bis 16 Uhr sowie Donnerstag von 8 bis 18 Uhr. Es gelten die Vorgaben des Archivgesetzes.

Ansprechpartner für Beratung und Vorbestellungen ist Markus Enzenauer, Telefon 0621 293 7137, E-Mail .