Amtliche Bekanntmachung der Stadt Viernheim: Satzung zum Schutz von Bäumen der Stadt Viernheim (Baumschutzsatzung)

Amtliche Bekanntmachung der Stadt Viernheim

Satzung zum Schutz von Bäumen der Stadt Viernheim (Baumschutzsatzung)

Aufgrund der §§ 5, 51 der Hess. Gemeindeordnung (HGO) in der Fassung vom 07.03.2005 (GVBl. I S. 142), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16.02.2023 (GVBl. S. 90, 93), des §§ 29, 22 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 29.07.2009 (BGBl. I, S. 2542), zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 3. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225) geändert, in Verbindung mit §§ 21, 44 und 63 des Hessischen Gesetzes zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft (Hessisches Naturschutzgesetz - HeNatG) vom 25. Mai 2023 (GVBl. S. 379) zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Oktober 2024 (GVBl. 2024 Nr. 57) hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Viernheim am 15.11.2024 folgende Satzung beschlossen:

Präambel

Bäume in Städten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Bäume tragen zum Wohlbefinden in der Stadt bei, sie verbessern die Ästhetik, beugen dem Klimawandel vor, binden Co² und dienen als Naherholungsgebiet. Zudem bieten sie ein Lebensraumangebot für wildlebende Tiere. Die Satzung bezieht sich auf Bäume, da diese neben ihrer ökologischen Bedeutung den entscheidenden stadt- und landschaftsbildprägenden Anteil besitzen. Bäume sind für Vögel und andere Tiere wichtige Rückzugsräume, Nahrungsquellen sowie Brut- und Schlafplätze. Die Satzung macht die Verantwortung jeder einzelnen Bürgerin und jedes einzelnen Bürgers für Grünstrukturen auf privaten Flächen deutlich und soll den Gehölzbestand Viernheims nachhaltig sichern.

§ 1 Räumlicher und sachlicher Geltungsbereich

(1) Der räumliche Geltungsbereich dieser Satzung erstreckt sich auf alle Grundstücke oder Grundstücksteile innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und innerhalb des Geltungsbereiches von Bebauungsplänen der Gemarkung der Stadt Viernheim.

(2) Der sachliche Geltungsbereich dieser Satzung erstreckt sich auf folgenden Gehölzbestand:

            1. Laubbäume und Ginkgobäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 cm (maßgebend ist der Umfang in 1 m Höhe gemessen). Bei mehrstämmigen Bäumen ist die Summe der Umfänge der Einzelstämme maßgebend.

            2. Nadelbäume mit einem Stammumfang von mehr als 90 cm (maßgebend ist der Umfang in 1 m Höhe gemessen). Bei mehrstämmigen Bäumen ist die Summe der Umfänge der Einzelstämme maßgebend.        

           3. Bäume, die aufgrund von Festsetzungen eines Bebauungsplanes zu erhalten sind.

(3) Ausgenommen vom Geltungsbereich der Satzung sind:

            1. Bäume, die vorwiegend strauchförmig wachsen (z. B. gewöhnliche Haselnuss, Strauchweide und andere, die in der Fachliteratur auch als strauchförmig wachsend beschrieben sind),

    2. Bäume die vorwiegend dem Obstertrag dienen (Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, Aprikose, Pfirsich, Quitte), außer es handelt sich um Obstbäume, die nicht vorwiegend dem Ertrag dienen (z. B. Speierling, Walnuss, Schwarznuss,   Edelkastanie, Maulbeerbaum, Zierapfel, Zierkirsche, Blutpflaume oder Wildbirne),

3. Baumbestände in öffentlichen Grünanlagen und Friedhöfen,

4. Bäume im Wald,

5.   Bäume, die Erwerbszwecken dienen.

§ 2 Ziele und Zwecke

Diese Satzung bezweckt den Schutz und den Erhalt der Bäume, um den Charakter eines Gebietes oder Bestandes im Sinne seiner Schönheit, seiner Eigenart, seiner Seltenheit und seiner Bedeutung für das Orts- oder Landschaftsbild, für das Kleinklima, für die Luftreinhaltung oder für die Tierwelt zu wahren.

§ 3 Verbote

(1) Im Geltungsbereich dieser Satzung (§1)

Im Geltungsbereich dieser Satzung ist es verboten, geschützte Bäume zu beseitigen, zu zerstören, zu beschädigen oder in ihrer typischen Erscheinungsform wesentlich zu verändern.

(2) Schädigungen und Beeinträchtigungen im Sinne dieser Satzung sind insbesondere:

            1.   Einwirkungen, die zu einem erheblichen Verlust an Kronenvolumen oder             Wurzelmasse führen und so die Assimilationsfähigkeit oder Standfestigkeit             einschränken,

            2. erhebliche Beschädigungen des Stammes oder der Rinde im Stamm- bereich,

            3. die Anwendung oder das Zuführen pflanzenschädlicher Stoffe,

4. jede Art von Eingriffen in den Boden im Wurzelbereich, beispielsweise Verdichtungen, Abgrabungen, Ausschachtungen, Aufschüttungen oder wasser- und lichtundurchlässige Bodenabdeckungen, sofern diese Eingriffe zu einer Schädigung des Baumes führen würden.   

§ 4 Weitergehende Schutzvorschriften

Weitergehende Schutzvorschriften, insbesondere solche des Naturschutzrechtes, sowie Festsetzungen in Bebauungsplänen, bleiben von den Bestimmungen dieser Satzung unberührt.

§ 5 Genehmigungspflicht

(1) Soll von § 3 Verboten abgewichen werden, so ist eine Genehmigung bei der Stadt Viernheim, Amt für Stadtentwicklung und Umweltplanung (Genehmigungsbehörde) schriftlich zu beantragen und zu begründen. Dem Antrag sind die für die Prüfung der Genehmigung erforderlichen Unterlagen beizufügen. In dem Antrag ist mindestens die Art des Baumes zu beschreiben und die Lage des Baumes mit einer Skizze und Bildmaterial darzustellen. In besonders begründeten Fällen kann ein Gutachten von einem Baumsachverständigen von der Stadt angefordert werden. Die Stadt kann einzelne Unterlagen nachfordern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist.

(2) Über den Antrag auf Genehmigung ist schriftlich zu entscheiden. Sie kann mit Nebenbestimmungen, insbesondere einem Widerrufsvorbehalt, verbunden werden. Die Genehmigung gilt nach einer Frist von zwei Monaten ab Eingang bei der Genehmigungsbehörde als erteilt.

(3) Die Genehmigung erlischt, wenn die Maßnahme nicht innerhalb von 2 Jahren nach Bekanntgabe der Genehmigung durchgeführt wurde.

(4) Geht von Bäumen eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung aus, so sind unaufschiebbare Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ohne vorherige Genehmigung zulässig. Die getroffenen Maßnahmen sowie die Gefahren-lage sind ausreichend zu dokumentieren (z.B. durch Fotos und Pläne) und der Genehmigungsbehörde unverzüglich anzuzeigen.

§ 6 Voraussetzung der Genehmigung

(1) Die Genehmigung zur Beseitigung eines geschützten Baumbestandes ist zu erteilen, wenn einer der folgenden Sachverhalte zutrifft:

· von dem Zustand des Baumes Gefahren für Personen oder Sachen ausgehen und die Möglichkeit einer Gefahrenabwehr den zumutbaren Aufwand überschreitet oder,

· der Baum krank ist und die Erhaltung nicht mit zumutbarem Aufwand sichergestellt werden kann oder

· ein nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zulässiges Vorhaben nicht verwirklicht werden kann und eine Alternativplanung oder Baumverpflanzung nicht zumutbar ist oder

· die Beseitigung des Baumes aus überwiegend öffentlichen Interessen erforderlich ist oder

· einzelne Bäume eines größeren Baumbestandes im Interesse des übrigen Baum-bestandes entfernt werden müssen z.B. Pflegehieb oder

· die Versagung der Beseitigung zu einer unzumutbaren Härte führen würde und die Erteilung mit den öffentlichen Interessen vereinbar ist.

Das Vorliegen einer oder mehrere der vorgenannten Voraussetzungen für eine Genehmigung müssen durch die Antragsstellenden nachgewiesen und belegt werden.

(2) Der Antrag ist beim Magistrat der Stadt Viernheim, Amt für Stadtentwicklung und Umweltplanung gemäß § 5 Genehmigungspflicht schriftlich eingegangen.

(3) Die Genehmigung ergeht unbeschadet der Rechte Dritter. Bei Beseitigungen von Bäumen auf fremden Grundstücken muss die Zustimmung des/der Eigentümers/in vorgelegt werden.

§ 7 Ausgleich und Ersatz

(1) Wird die Beseitigung eines geschützten Baums gemäß § 5 genehmigt und nach Erhalt dieser Genehmigung beseitigt, muss ein Ausgleich erfolgen: Der/die Antragsteller/in hat für jeden beseitigten Baum auf dem gleichen Grundstück auf seine/ihre Kosten einen angemessenen (siehe folgende Tabelle) Laubbaum 1. Ordnung als Ersatz zu pflanzen. Die Pflege der Ersatzpflanzung ist für die Dauer von 5 Jahren durch den/die Antragsteller/in sicherzustellen. Bei Absterben der Ersatz-pflanzung ist umgehend für gleichwertigen Ersatz zu sorgen und die Frist von 5 Jahren für die Pflege der Ersatzpflanzung beginnt von neuem. Die Ersatzpflanzung richtet sich nach dem Stammumfang des zu fällenden Baumes gemäß nachfolgender Tabelle:

Gefällter Baum Stammumfang in 1 m Höhe gemessenErsatzpflanzung Stammumfang in 1 m Höhe gemessen
ab 60 cmmindestens 14 cm
ab 90 cmmindestens 16 cm
ab 120 cmmindestens 18 cm

(2) Bei Bäumen, die durch Festsetzungen eines Bebauungsplanes geschützt sind, gelten für die Bemessung des Ausgleichs im ersten Schritt die entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplanes. Sollte dieser keine Festsetzungen zum Ausgleich treffen oder einen geringen Umfang eines Ausgleichs festsetzen, so sind stattdessen die Regelungen dieser Satzung anzuwenden.

(3) Sollte in begründeten Ausnahmefällen (z.B. Einhaltung erforderlicher Grenz-abstände, andere rechtliche Gründe, verfügbarer Platz, etc.) eine Nachpflanzung der 1. Ordnung nicht umgesetzt werden können, kann die Nachpflanzung durch die Genehmigungsbehörde auf einen Baum der 2. Ordnung, 3. Ordnung oder eines Großstrauches (Pflanzhöhe mindestens 150 cm) reduziert werden.

(4) Ist für eine Nachpflanzung im erforderlichen Umfang auf dem Grundstück kein geeigneter Standort vorhanden, kann eine Ausgleichspflanzung auf einem anderen Grundstück im Stadtgebiet erfolgen. Alternativ kann eine Ausgleichszahlung gemäß der folgenden Tabelle erfolgen:

Stammumfang der Ersatzpflanzung in 1 m Höhe gemessenAusgleichszahlung
mindestens 14 cm500,00 €
mindestens 16 cm700,00 €
mindestens 18 cm900,00 €

Die Ausgleichszahlung wird mit Bekanntgabe der Beseitigungsgenehmigung fällig.

(5) Ist ein geschützter Baum abgestorben, beim Sturm geworfen oder durch ein anderes Naturereignis irreparabel beschädigt worden, besteht keine Verpflichtung zu einer Nachpflanzung.

(6) Die Nachpflanzung muss innerhalb eines Jahres nach erfolgter Beseitigung vollständig ausgeführt werden. Bei Bauvorhaben ist die Nachpflanzung innerhalb eines Jahres nach der Fertigstellung des Baukörpers vollständig auszugleichen. Die Durchführung der Nachpflanzung ist zu dokumentieren und der Genehmigungs-behörde unaufgefordert vorzulegen.

§ 8 Folgenbeseitigung

(1) Wer geschützte Bäume ohne Genehmigung beseitigt oder schädigt, ist verpflichtet, Ersatzpflanzungen vorzunehmen oder Ausgleichszahlungen nach § 7 Ausgleich und Ersatz zu leisten. Die Stadt Viernheim setzt im Einzelfall die erforderlichen Maßnahmen fest.

(2) Der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigte ist auch nach Abs. 1 verpflichtet, wenn ein Dritter die Handlung vorgenommen hat und dies mit Billigung des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten geschehen ist oder wenn der Eigentümer oder der Nutzungsberechtigte Schadensersatz von Dritten verlangen könnte.

(3) Ersatzpflanzungen auf öffentlichen Flächen werden grundsätzlich durch die Stadt Viernheim durchgeführt. Die Kosten trägt der zum Ersatz Verpflichtete. Die Stadt Viernheim kann verlangen, dass ihr die voraussichtlichen Kosten vorab erstattet werden.

§ 9 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne dieser Satzung handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

· entgegen § 3 Abs. 1 und 2 Bäume beseitigt oder so schädigt, dass ihre Lebens-fähigkeit beeinträchtigt wird,

· entgegen § 5 Abs. 4 vorgenommene unaufschiebbare Maßnahmen zur Gefahren-abwehr nicht unverzüglich anzeigt,

· entgegen § 7 Abs. 1 keine Ersatzpflanzung vornimmt,

· entgegen § 7 Abs. 6 den Nachweis der Ersatzpflanzung nicht oder nicht fristgerecht führt,

· entgegen § 7 Abs. 4 die Ausgleichszahlung nicht leistet,

(2) Ordnungswidrigkeiten nach Abs. 1 können mit einer Geldbuße bis zu 50.000,00 Euro geahndet werden.

(3) Zuständige Verwaltungsbehörde für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten dieser Satzung ist der Magistrat der Stadt Viernheim

§ 10 Inkrafttreten

Diese Satzung tritt am 01.01.2025 in Kraft.

Ausfertigungsvermerk:

„Es wird bestätigt, dass der Inhalt dieser Satzung mit dem/n hierzu ergangenen Beschluss/Beschlüssen der Gemeindevertretung/Stadtverordnetenversammlung übereinstimmt und dass die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Verfahrens-vorschriften eingehalten wurden“.

Viernheim, den 16.11.2024
Der Magistrat der Stadt Viernheim
Matthias Baaß (Bürgermeister)