„Jede Form von Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung. Und jede einzelne betroffene Frau ist eine zu viel – deshalb setzen wir uns seit Jahren in Viernheim konsequent für Aufklärung, Schutz und Empowerment ein“, betonte Maria Lauxen-Ulbrich, städtische Gleichstellungsbeauftragte, bei der Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag (2. Oktober). Unter dem Titel „Sicherheit für Frauen in Viernheim“ stellte das Gleichstellungsbüro gemeinsam mit der Volkshochschule (VHS) und Michael Linak vom Trainingszentrum „The Farm“ im Gymnastikraum der Sportgemeinschaft 1983 e. V. (SG) den neuen Selbstverteidigungskurs „Krav Maga für Frauen“ vor – flankiert von einer Reihe bewährter städtischer Maßnahmen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt.
Dass Präventionsarbeit in diesem Bereich wichtiger denn je ist, belegen aktuelle Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA). Im „Bundeslagebild 2023“ dokumentiert das BKA insgesamt 180.715 Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen – ein Anstieg von 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In 360 Fällen endete die Gewalt tödlich. 578 Mordversuche wurden gezählt. Besonders alarmierend: In etwa 79 Prozent der polizeilich registrierten Fälle von Partnerschaftsgewalt waren Frauen die Opfer – mit allen Facetten von Körperverletzung, Bedrohung, Freiheitsberaubung, sexueller Nötigung bis hin zu versuchtem Mord. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen, da viele Frauen aus Angst oder Scham keine Anzeige erstatten.
„Diese Zahlen erschüttern – und sie verpflichten“, so Lauxen-Ulbrich. „Als Stadt tragen wir Verantwortung. Deshalb setzen wir seit vielen Jahren auf ein vielfältiges Netz aus konkreten Hilfsangeboten, Prävention, Aufklärung und Beteiligung.“ Ein Beispiel für diesen Ansatz ist der neue Selbstverteidigungskurs „Krav Maga für Frauen“, der am 11. September in Kooperation mit der VHS im Gymnastikraum der SG im Familiensportpark West gestartet ist. Der Kurs umfasst acht Einheiten und wird von Michael Linak geleitet, einem erfahrenen Trainer, der seit vielen Jahren Polizei, Rettungskräfte und Zivilpersonen im Bereich Konfliktmanagement schult. Linak erklärt: „Krav Maga ist ein intuitives und hochwirksames System, das ursprünglich für das israelische Militär entwickelt wurde und das jeder lernen kann – unabhängig von Fitness oder Vorkenntnissen. Ziel ist, im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben und Gefahren rechtzeitig zu erkennen oder zu deeskalieren.“ Die Frauen im Kurs trainieren realitätsnah und erlernen Techniken zur Abwehr körperlicher Angriffe, aber auch zur Einschätzung kritischer Situationen im Alltag. Bereits nach den ersten drei Einheiten seien bei den Kursteilnehmerinnen eine klare Verbesserung in Reaktion, Haltung und Präsenz erkennbar, berichtet der Trainer.
Auch Carolina Bachenheimer-Schäfer, Mutter zweier Kinder und Kursteilnehmerin, ist von dem Kurs begeistert: „Ich habe selbst keine Gewalterfahrungen gemacht, aber mich immer gefragt, wie ich reagieren würde, wenn es doch einmal passiert. Jetzt weiß ich, dass mein Körper instinktiv reagieren kann – das gibt ein völlig neues Sicherheitsgefühl.“
Die Wurzeln des Kurses liegen in der städtischen Verwaltung selbst: Der ehemalige Leiter des Ordnungsamtes, Sebastian Geschwind, hatte das System Krav Maga vor zwei Jahren für die Stadtpolizei eingeführt. Die positiven Erfahrungen führten zur Adaption für Bürgerinnen – und speziell für Frauen. Bereits nach wenigen Tagen Bekanntmachung war der Kurs ausgebucht – ein klares Zeichen dafür, wie hoch der Bedarf ist. Laut Stephanie Schmitt von der VHS ist eine Wiederholung im Frühjahr 2026 in Planung. Zusätzlich wird über Kursformate für Jugendliche nachgedacht.
Ganzjähriges Engagement zum Schutz von Frauen gegen Gewalt
Das Gleichstellungsbüro der Stadt Viernheim setzt sich jedoch nicht erst seit kurzem, sondern seit vielen Jahren konsequent für Gewaltprävention und den Schutz von Frauen ein. Neben dem aktuellen Selbstverteidigungskurs werden seit Jahren verschiedene bewährte Angebote durchgeführt, die Frauen stärken und die Öffentlichkeit sensibilisieren. Dazu gehört der Frauen-Nachtfahrdienst, der in diesem Jahr sein 35-jähriges Bestehen feiert. Für nur sechs Euro können Frauen alleine nachts im gesamten Stadtgebiet innerhalb Viernheims sicher per Taxi nach Hause fahren – ein Angebot, das besonders in der dunklen Jahreszeit stark genutzt wird.
Ebenfalls fest etabliert ist die kreisweite Brötchentütenaktion „Gewalt kommt mir nicht in die Tüte“, an der die Stadt Viernheim seit vielen Jahren kontinuierlich gemeinsam mit Bäckereien, der Viernheimer Tafel und – seit diesem Jahr – erstmals mit weiterführenden Schulen teilnimmt. Sie soll das Thema häusliche Gewalt niedrigschwellig in den Alltag der Menschen bringen und insbesondere Jugendliche ansprechen. Start in Viernheim ist der 30. Oktober.
Am 24. November wird zudem im Internationalen Frauencafé der Film „Nur noch ein einziges Mail – It Ends With us“ gezeigt, der die Folgen häuslicher Gewalt und generationsübergreifende Missbrauchsmuster thematisiert. Und am 25. November – dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen – hisst die Stadt um 15.30 Uhr traditionell die Fahne „Wir sagen NEIN zu Gewalt gegen FRAUEN!“ vor dem Alten Rathaus, verbunden mit einer öffentlichen Tanzaktion, um sichtbar Haltung gegen Gewalt zu zeigen.
Ergänzt werden diese Aktionen durch regelmäßige Informations- und Aufklärungsangebote wie Flyer, Plakataktionen oder Projekte in Kooperation mit regionalen Netzwerken – etwa dem Arbeitskreis gegen Häusliche Gewalt im Kreis Bergstraße. Dieser hat mit Projekten wie „Rocking4Respect“ oder den Plakaten „Männer spielen eine Schlüsselrolle“ und „Laut feiern – statt leise schweigen“ wichtige Impulse gesetzt, um sichere öffentliche Orte zu schaffen und Männer als Verbündete zu gewinnen.
Außerdem weißt Lauxen-Ulbrich auf das Angebot des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ hin, das unter der Nummer 116 016 an 7 Tagen 24 Stunden in 18 verschiedenen Sprachen erreichbar ist.
„All diese Angebote – vom Nachtfahrdienst über die Brötchentütenaktion bis hin zu Selbstverteidigungskursen – sind Bausteine einer Gesamtstrategie, die wir seit Jahren verfolgen“, so Lauxen-Ulbrich abschließend. „Unser Ziel ist es, Frauen zu stärken, gesellschaftliche Sensibilität zu schaffen und ein Netzwerk aufzubauen, das Gewalt nicht nur sichtbar macht, sondern verhindert.“
Informationen und Aufklärung über rechtliche Grundlagen, Kooperationen, Hilfsangebote und Kontaktdaten gibt es auf der städtischen Homepage unter www.viernheim.de/leben-bauen-bildung/viernheim-fuer/gleichstellung/schutz-vor-gewalt.html

