Verein Lernmobil und Stadt Viernheim zertifizieren sieben neue ehrenamtliche Integrationslotsinnen

Interkulturelle Vermittlung in Viernheim: So kann Zuwanderung gelingen

 

Seit über 15 Jahren leisten ehrenamtliche interkulturelle Vermittlerinnen und Vermittler in Viernheim einen wichtigen Beitrag, damit Sprachbarrieren abgebaut werden, Behörden und Institutionen für alle Bürgerinnen und Bürger einfach zu nutzen sind und dass es bei kulturell bedingten Missverständnissen zur Verständigung kommt.

Nun ist Viernheim um sieben weitere interkulturelle Vermittlerinnen reicher: Frau Elvan Demirovic, Frau Elizabeth De Olma de Rink, Frau Meike Gomaa, Frau Esra Kesimli, Frau Qodsieh Mohammadi, Frau Aland Usman und Frau Silvia Vecchi haben im vergangenen Jahr ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und wurden nun offiziell zu Integrationslotsinnen ernannt.

Das Zertifikat überreichten Bürgermeister Matthias Baaß und Erster Stadtrat Jörg Scheidel am vergangenen Freitag (26. Januar) im Stiftungshaus. Mit dabei waren von Seiten des Vereins Lernmobil e. V. Geschäftsführerin Dr. Brigitta Eckert, Fachbereichsleiterin der Erwachsenenbildung Larysa Kay-Kulakowski, Abteilungsleiterin der Integrationslotsen Almira Vehabovic, Seminarleiterin Ernestine Schneider sowie Andrea Ewert, die im Hauptamt der Stadtverwaltung für die Viernheimer Vielfalts- und Integrationsstrategie zuständig ist und gemeinsam mit dem Lernmobil die Zertifizierung der Lotsen abnimmt. Ebenfalls anwesend waren Mitglieder der neu gebildeten Integrationskommission sowie der Steuerungsgruppe „Vielfalt und Integration“.

Besonders lobende Worte fand der Rathauschef für den Verein Lernmobil e.V., mit dem die Stadt Viernheim schon seit vielen Jahren erfolgreich in Sachen Integration zusammenarbeite: „In Viernheim leben rund 35.000 Bürger und mein Ziel ist es, dass all diese Menschen in unserer Stadt ein gutes Zusammenleben haben, egal welcher Tradition, Religion, Kultur oder Sprache. Gemeinsam mit dem Verein Lernmobil haben wir schon viel umgesetzt, um ein gutes Zusammenleben zu haben“, zeigte sich Baaß dankbar. Aus diesem Grund sei er stolz und sehr dankbar, dass es Menschen gibt wie die Lotsen, die selbst einmal zugewandert und bereit sind, mit ihren Erfahrungen bei der Integration anderer Menschen zu helfen, so Baaß weiter. „Was gibt es Besseres?“ Besonders beeindruckt zeigte er sich von den beruflichen und den vielen unterschiedlichen Sprachkenntnissen, die die Lotsinnen jeweils mitbringen. „Und dann haben Sie auch noch die deutsche Sprache gelernt und sich dieser Ausbildung unterzogen, vielen Dank.“

Auch Dr. Eckert war sichtlich stolz, dass der Kreis der Lotsen in Viernheim weiter wächst und sie sieben neue Mitglieder in der „Lernmobil-Familie“ willkommen heißen darf. „Die Lotsentätigkeit kann man auch als eine Art Praktikum bezeichnen und bedeutet für viele der erste Schritt in die Arbeitswelt“, berichtet Eckert. Da die meisten Menschen durch die Zuwanderung erst einmal einen beruflichen Bruch erleiden würden, fiele es schwer, sich in der neuen Welt beruflich zurechtzufinden. Doch die Tätigkeit hätte vielen ihrer Vorgängerinnen den Weg geebnet und sogar am Ende in ein festes Arbeitsverhältnis gemündet.

Die neuen Integrationslotsinnen stellen sich vor
Der Verein Lernmobil ist das Ausbildungszentrum für Lotsinnen und Lotsen im Kreis Bergstraße. Zusammen mit weiteren Kursteilnehmenden aus Heppenheim, Biblis, Lampertheim und Bürstadt haben die neuen Viernheimer Lotsinnen neun Monate lang unter fachkundiger Leitung diskutiert, reflektiert, gelernt, gelacht und sich Fragen gestellt, wie zum Beispiel: „Was war für meinen eigenen Integrationsprozess gewinnbringend? Was waren Hindernisse? An wen wende ich mich, wenn jemand wissen will, wo man einen Kinderzuschlag beantragen kann?“ Eines hatten alle Kursteilnehmenden aber gemeinsam: Die Motivation, ihre persönlichen Erfahrungen und ihre Sprachkompetenzen dafür einzusetzen, um neu zugewanderten Menschen eine Brücke in die Gesellschaft zu bauen und sie zu unterstützen, in ihrer neuen Stadt heimisch zu werden. Und etwas zurückzugeben von dem, was sie bekommen haben.

Elvan Demirovic kommt aus Nordmazedonien und ist 45 Jahre alt. In ihrer Heimat hat sie als Buchhalterin und Steuerberaterin gearbeitet und ist froh, dass sie diesen Beruf auch in Mannheim bei einem Steuerberater ausüben kann. Da sie gerne Menschen helfen möchte, sich in Deutschland zu integrieren, hat sie sich entschlossen, als Integrationslotsin für die Stadt Viernheim zu arbeiten und in den Sprachen Mazedonisch, Serbisch, Bosnisch, Kroatisch, Albanisch, Bulgarisch und Englisch zu unterstützen.

Elisabeth De Olma de Rink stammt aus der Dominikanischen Republik und lebt seit vier Jahren mit ihrem Mann und zwei Kindern in Viernheim. In ihrem Heimatland hat sie als Rechtsanwältin gearbeitet und möchte die Menschen in Viernheim unterstützen.

Meike Gomaa arbeitet seit 12 Jahren in der offenen Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Weinheim. Seit 10 Jahren begleitet sie einen Jungen mit Down Syndrom. Seit 1,5 Jahren arbeitet sie beim Verein Lernmobil in der sprachkursbegleitenden Kinderbetreuung. Besonders wichtig ist Meike die Sprachförderung der Kinder und die Begleitung auf dem Weg zur Krippe, Kindergarten oder Schule. "Hier sehe ich mich als Brückenbauerin zwischen den Kulturen und Sprachen, deshalb habe ich auch die Ausbildung zur Lotsin begonnen. Das Thema Inklusion liegt mir sehr am Herzen", sagt Meike.

Esra Kesimli stammt aus der Türkei. Seit drei Jahren lebt sie in Deutschland. In der Türkei hat Esra ein Lehramtsstudium absolviert und als Grundschullehrerin gearbeitet. Zurzeit besucht sie einen Deutschkurs, ihr Wunsch ist es, auch in Deutschland mit Kindern zu arbeiten.

Qodsieh Mohammadi stammt aus Afghanistan und lebt seit 2015 mit ihren drei Kindern in Viernheim. Zurzeit besucht sie einen Deutschkurs und möchte eine Ausbildung im Pflegebereich machen.

Aland Usman lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Sie ist 18 Jahre alt und besucht die Einführungsphase der Alexander-von-Humboldt-Schule. Im Jahr 2026 will sie ihr Abitur machen und Chirurgie studieren. Ihre Muttersprache ist Kurdisch, sie spricht aber auch Englisch, Französisch und Arabisch.

Silvia Vecchi kommt aus Italien und lebt seit 2019 in Viernheim. Sie hat ihr Studium der Pädagogik und Sozialarbeit in Italien erfolgreich abgeschlossen. Derzeit arbeitet sie als Integrationskraft an der Schillerschule. Silvia Vecchi freut sich, dass sie nun offiziell im Auftrag der Stadt tun kann, was sie bisher privat getan hat: Anderen Menschen helfen, sich in die Gesellschaft zu integrieren.

Tätigkeitsfelder der Integrationslotsen
Im Jahr 2007 wurde das ursprünglich unter dem Namen PfiVV (Projekt für interkulturelle Vermittlung in Viernheim) Lotsen-Projekt des Vereins Lernmobil Viernheim e.V. ins Leben gerufen. Das Aufgabenfeld ist vielseitig und hat sich in den vergangenen Jahren stetig erweitert. In Viernheim sind mittlerweile 33 ehrenamtliche Integrationslotsen in sechs Anlaufstellen tätig. Neben Deutsch werden folgende Sprachen gesprochen: Arabisch, Bosnisch, Bulgarisch, Dari, Englisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Jiddisch, Kroatisch, Kurmandschi, Moldawisch, Persisch (Farsi), Polnisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Somali, Spanisch, Türkisch, Ukrainisch und Ungarisch.

Die neuen Lotsinnen werden in einer der vielen Tätigkeitsfelder und Anlaufstellen in der Stadt eingesetzt. Denn die Lotsen arbeiten eng verzahnt mit den Mitarbeitenden vieler Behörden zusammen, wie zum Beispiel mit dem Büro für Neuzugezogene im Rathaus, dem Jobcenter, an Schulen, dem Familienbildungswerk etc. und besitzen daher einen großen Wissensschatz, egal ob es sich um Anträge beim Jugendamt, Jobcenter, bei der Familienkasse, der Rentenstelle oder der Krankenkassen handelt. Bei Bedarf begleiten und übersetzen die Lotsinnen auch bei Terminen, zum Beispiel in der Schule, beim Arzt, auf der Bank oder bei der Ausländerbehörde.

Die Arbeit der Integrationslotsen entwickelt sich in Viernheim kontinuierlich weiter, orientiert am Bedarf in der Kommune. So gibt es in der Alexander-von-Humboldt Schule seit neuestem eine Anlaufstelle für Schüler, die sich bei Bedarf vor Ort an jugendliche Lotsen ihrer Altersklasse wenden können. Wie wichtig die Arbeit der Lotsen ist und gleichzeitig die hauptamtlichen Mitarbeitenden entlastet, hat sich jüngst wieder bei der Arbeit mit den neu zugewiesenen Flüchtlingen in Viernheim gezeigt. Auch hier wurde direkt in der neuen Flüchtlingsunterkunft in der Lilienthalstraße eine Anlaufstelle eingerichtet.

Für die Tätigkeit erhalten die Lotsinnen eine Aufwandsentschädigung. Die Ausbildung zur Integrationslotsin/zum Integrationslotsen ist kostenlos und umfasst 7 Module, die jeweils an einem Samstag stattfinden, sowie zusätzlich ein zwanzigstündiges Praktikum. Themen der Ausbildung sind: Reflektion der eigenen Biographie, Kommunikation und Interkulturelle Kommunikation, Ehrenamt, Chancen und Grenzen im Ehrenamt, Werte und Haltungen, Antidiskriminierung, Reflektion des Praktikums. Das Praktikum beinhaltet den Besuch der bereits vorhandenen Anlaufstellen in den jeweiligen Einrichtungen vor Ort. Dort beobachten, fragen und lernen die angehenden Lotsinnen und Lotsen den Ablauf einer Sprechstunde, die Arbeitsweise der Lotsen, den Umgang mit der Bürgerschaft sowie den Mitarbeitenden. Die Ausbildung endet mit einem Abschlusskolloquium.

Die meisten ausgebildeten Lotsen geben sich nicht mit der Grundausbildung zufrieden und spezialisieren sich in einer anschließenden Weiterbildung zur Elternassistentin für die Begleitung an Schulen oder zum Gesundheitscoach. Jedes Jahr müssen die Lotsen an Weiterbildungen teilnehmen, um mit den neuesten Informationen ausgestattet, ihre Tätigkeit auf einem qualitativ hohen Niveau durchführen zu können.

Das Projekt ist eingebettet in die Viernheimer Vielfalts- und Integrationsstrategie der Stadt Viernheim, die am 10.12.2019 einstimmig von der Stadtverordnetenversammlung verabschiedet wurde. Weitere Informationen unter viernheim.de/vielfaltundintegration.

Mehr Informationen zu den Integrationslotsen unter lernmobil-viernheim.de/integrationslotsen