Kommunale Wärmeplanung in Viernheim
Ende letzten Jahres verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das Wärmeplanungsgesetz (WPG).
Mit dieser Gesetzgebung verfolgt die Bundesregierung das Ziel, bis 2045 in Deutschland auf fossile Energieträger für die Gebäudebeheizung zu verzichten.
Um dabei regionale und lokale Gegebenheiten bestmöglich zu berücksichtigen, wurde die Zuständigkeit rund um die Wärmeplanung auf die Kommunen übertragen.
Die folgenden Ausführungen geben einen ersten Überblick über die für Viernheim relevanten Überlegungen.
Die Landesregierung in Hessen hatte angekündigt, die Hessische Gesetzgebung an die des Bundes anzulehnen. Anders als in Baden-Württemberg, wo abweichende Landesgesetze gelten, sind kommunale Wärmeplanungen hier erst in den kommenden Jahren gefordert.
Für Viernheim als Kommune mit weniger als 100.000 Einwohner gilt der Stichtag 30. Juni 2028.
Ingenieurbüro 3P Energieplan startet mit Vorbereitungen
Die Viernheimer Kommunalpolitik hat festgelegt, dass die Stadtwerke Viernheim mit Ihrer Tochtergesellschaft 3P Energieplan GmbH die Wärmeplanung für Viernheim vorbereiten.
Kein anderer Akteur hat einen besseren Überblick über die relevanten Rahmenbedingungen in Viernheim. Die Arbeiten für die Bestandserfassung haben bereits begonnen.
Im Ergebnis wird die Stadt Viernheim bis spätestens 2028 eine kommunale Wärmeplanung vorlegen, die den Bürgern eine Orientierung auf dem Weg zur regenerativen Wärmeversorgung geben soll.
Die zwei wichtigsten Zielsetzungen der Wärmeplanung:
- weitgehender Einsatz von regenerativen Energien bis zur CO2-emissionsfreien Wärmenutzung im Jahr 2045 sowie
- Identifikation einer für den Bürger bezahlbaren Lösung.
Der Anspruch nach einer ebenso nachhaltigen wie aus Bürgersicht finanzierbaren Option, bedeutet eine Herausforderung.
Denn es sollen Irrwege, nicht genutzte Investitionen aber auch neue Abhängigkeiten vermieden werden, während eine Reihe relevanter Voraussetzungen, zum Beispiel die Verfügbarkeit von Geothermie, noch nicht abschließend bewertet werden kann.
Sorgfältige Abwägung für lokale Lösungen
In der aktuellen öffentlichen Diskussion geht es häufig um die Nutzung von Abwärme, Geothermie, den Ausbau der Fernwärme, den Einsatz von Wasserstoff und die Gewinnung von Umweltwärme mittels Wärmepumpen.
Jeder dieser Lösungsansätze erfordert vor Ort, passende Gegebenheiten, verschiedene Vorlaufzeiten und unterschiedliche, zum Teil sehr hohe Investitionen. Ist ein Weg erst einmal eingeschlagen, kann er unter Umständen nur mit sehr hohen Verlusten wieder aufgegeben werden, sollten sich Rahmenbedingungen ändern.
Optionen in Viernheim
Da Abwärme, zum Beispiel aus industriellen Prozessen, in Viernheim weder in größerem Umfang noch nachhaltig über Jahrzehnte zur Verfügung steht, verbleiben hier drei Optionen, regenerative Nutzwärme zu generieren:
- Wasserstoff aus dem Deutschen Wasserstoffnetz,
- Geothermie,
- Umweltwärme.
Fernwärme ist hier nicht genannt, weil sie letztlich aus einer der aufgeführten Quellen gespeist werden muss.
Fernwärme bedeutet, die Wärmegewinnung dafür an zentrale Orte zu verlagern und von dort Leitungsnetze mit entsprechenden Kosten aufzubauen. Die Zuständigkeit für die Energieherkunft wird damit an den Fernwärmelieferanten delegiert.
>> Wasserstoff aus dem Deutschen Wasserstoffnetz
Die ersten Transportleitungen des Deutschen Wasserstoffnetzes werden voraussichtlich in wenigen Jahren direkt an Viernheim vorbeilaufen. Wasserstoff ist aktuell allerdings noch so teuer, dass er nur für Spezialanwendungen oder bei hoher staatlicher Förderung eingesetzt wird. Ob der Preis in den nächsten Jahren auch für normale Heizungszwecke ein wettbewerbsfähiges Niveau erreichen wird und die erforderlichen Mengen verfügbar sein werden, bleibt abzuwarten. In einer Wärmeplanung bereits heute verbindlich auf Wasserstoff zu setzen, ist daher noch nicht verantwortbar.
>> Geothermie
Der Rheingraben gilt für Geothermie als prädestiniert. Dem hohen Potential stehen allerdings die Anforderungen des Wasserschutzes und des Naturschutzes entgegen. Praktisch die gesamte Viernheimer Gemarkung liegt in den Wasserschutzzonen des Wasserwerkes Käfertal. Die Klärung damit verbundener Sachverhalte nimmt in der Regel mehrere Jahre in Anspruch.
Untersuchungen der Firma Vulcan Energy bezüglich der Verfügbarkeit und geeigneter Standorte laufen derzeit. Welche Kosten die Nutzung von Geothermie für den Bürger letztlich bedeuten würden, ist noch nicht abschätzbar, eine frühzeitige Festlegung auf diese Energiequelle daher riskant.
Eine zentrale Geothermie-Bohrung wird zudem immer mit einem Fernwärmenetz verbunden sein. Beides bedeutet sehr hohe Investitionen über viele Jahre hinweg, die aufgrund des heutigen Kenntnisstandes nicht ausgelöst werden können.
>> Umweltwärme
Gesichert steht in Viernheim Umweltwärme zur Verfügung. Es handelt sich dabei entweder um die Außenluft, der selbst bei niedrigen Außentemperaturen mittels Wärmepumpe immer noch Wärme entzogen werden kann, oder oberflächennahe Geothermie.
Die Option, Wärme dem Grundwasser zu entziehen, kollidiert mit den Einschränkungen des Trinkwasserschutzgebietes, in dem Viernheim liegt.
Die für Umweltwärme erforderliche Wärmepumpentechnik kann jeder Hausbesitzer auch individuell, dezentral umsetzen. Je niedriger das benötigte Temperaturniveau in der Heizungsanlage ist, desto effizienter und wirtschaftlicher kann Umweltwärme genutzt werden.
Nutzung des Viernheimer Fernwärmenetzes
Auch in einer zentralen Fernwärmeerzeugung kann auf Umweltwärme zurückgegriffen werden, wenn weder Wasserstoff noch Tiefen-Geothermie wirtschaftlich verfügbar sind. In diesem Fall wird jedoch der Preis aufgrund der zusätzlichen Fernwärmenetzkosten und eines voraussichtlich notwendigen Netzneubaus immer etwas höher liegen als bei einer dezentralen Gewinnung von Umweltwärme.
Der Weiterbetrieb der Fernwärme in Viernheim und die Versorgung der Bestandskunden mit regenerativer Wärme gilt als nicht gefährdet, da die Leitungsanbindungen bereits vorhanden sind. Durch Optimierung der vor rund 30 Jahren aufgebauten Bestandsanlagen des Viernheimer Fernwärmenetzes sind sogar leichte Kostenvorteile gegenüber gegebenenfalls neu zu errichteten dezentralen Anlagen zu erwarten. Leider können aber aufgrund der begrenzten Leitungskapazitäten an den Bestandstrassen keine zusätzlichen Kunden angeschlossen werden. Derzeit sind knapp 200Abnehmer an das Netz angeschlossen. Der Anteil an der Gesamtwärmeversorgung in Viernheim umfasst ca. 10 % Prozent.
Ein Ausbau und die Errichtung großer neuer Fernwärmeleitungen mit entsprechend hohen Kosten ist nur zu erwarten, wenn über Geothermie oder Wasserstoff Wärme deutlich günstiger bereitgestellt werden kann als über dezentrale Umweltwärme. Ohne Kostenvorteile wird es schwer sein, eine ausreichende Anzahl von Hausbesitzern vom zügigen Neuanschluss an ein Fernwärmenetz zu überzeugen. Dies ist aber die Voraussetzung für die Refinanzierung der erforderlichen Investitionen.
Weiteres Vorgehen
Für eine solide belastbare kommunale Wärmeplanung mit dem Ziel, dem Bürger den Umstieg auf eine regenerative Wärmeversorgung zu möglichst geringen Kosten zu ermöglichen, ist es gut, dass der Gesetzgeber den Kommunen die notwendige Zeit einräumt. Gerade in Bezug auf Wasserstoff und Geothermie sind in den nächsten ein bis zwei Jahren belastbarere Erkenntnisse und gegebenenfalls interessante wirtschaftliche Optionen für die Bürger zu erwarten.
Energiesparen bleibt unerlässlich
Häufig geht in der Diskussion einer der wichtigsten und nachhaltigsten Aspekte – die Energieeinsparung – unter. Dieser Weg ist in der Brundtland-Stadt Viernheim nichts Neues. Bereits veröffentlichte Wärmeplanungen in den Nachbarstädten gehen aufgrund der bisherigen Erfahrungen nur von jährlichen Verbrauchsreduzierungen durch Gebäudesanierung von wenigen Prozent aus. Wir sollten die Herausforderung annehmen und in Viernheim schneller sein. Mit Energieeinsparmaßnahmen kann jeder Bürger nachhaltig den Geldbeutel schonen und die Umwelt entlasten, völlig unabhängig von der kommunalen Wärmeplanung.
Stand März 2024 | Pressemeldung der Stadtwerke Viernheim
FAQ
Die kommunale Wärmeplanung ist eine unverbindliche Planung und dient der Orientierung für alle Beteiligten. Es wird ermittelt wie hoch die Wärmedichten in Viernheim sind. Das kann darüber Aufschluss geben, ob sich in bestimmten Bereichen Fernwärme oder die Nutzung von Abwärme lohnen kann. Für Viernheim wird derzeit im Auftrag der Stadtwerke Viernheim GmbH eine kommunale Wärmeplanung erarbeitet.
Nein. Das Ergebnis der kommunalen Wärmeplanung ist nicht bindend und löst auch keine Verpflichtungen nach GEG aus. Unabhängig von der Wärmeplanung kann eine Gemeinde Gebiete für den Neu- oder Ausbau von Wärmenetzen oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet ausweisen. Diese Art der Ausweisung erfolgt nicht durch die kommunale Wärmeplanung sondern erfordert einen eigenen politischen Beschluss. Eine Gemeinde mit einer kommunalen Wärmeplanung kann einen solchen Beschluss fassen, muss aber nicht. Selbst wenn eine solche Ausweisung erfolgt, entsteht dadurch kein Anschluss- und Benutzungszwang. Gebäudeeigentümer in dem Gebiet haben nach wie vor die freie Wahl zwischen allen dem GEG entsprechenden Wärmeversorgungsoptionen.